Definition: Bei der pseudomembranösen Kolitis handelt es sich um eine nach Antibiotikatherapie, vorwiegend durch Cephalosporine, Aminoglykoside, Ampicillin und Clindamycin, induzierte Entzündung der Kolonschleimhaut mit konsekutiver Zerstörung der Darmflora durch das Clostridium difficile (= Überwucherung der physiologischen Darmflora mit Clostridium difficile). Bei dieser Form der Colitis ist ein lebensbedrohlicher Krankheitsverlauf mit Todesfällen möglich.

 

→ Epidemiologie: Die pseudomembranöse Kolitis stellt eine typische nosokomiale Erkrankung dar; die Durchseuchungsrate liegt bei Patienten, die mit Antibiotika therapiert werden bei bis zu 25% der Fälle.

→ I: Betroffen sind insbesondere Patienten mit Immunsuppression (unterschiedlicher Genese) und konsumierenden Erkrankungen.

→ II: Die klinische Symptomatik tritt zumeist noch während der antibiotischen Behandlung auf, kann sich aber auch noch 4 Wochen nach Beendigung der Therapie manifestieren.

 

Ätiologie: Insbesondere durch Antibiotika-Langzeitherapien wird die physiologische Darmflora zerstört und es kommt zum Wachstum von antibiotikaresistenten Bakterien wie das Clostridium difficile. Aber auch Ischämien des Gastrointestinaltraktes, Schock und Sepsis können die Entstehung induzieren.

→ I: Weitere Risikofaktoren: Sind u.a.:

→ 1) Hohes Lebensalter (> 65. Lebensjahr).

→ 2) Lange Krankenhausaufenthalte oder Unterbringung im Pflegeheim.

→ 3) Periportale Frauen.

→ 4) Schwere Grunderkrankungen wie Morbus Crohn, Verbrennungen, Urämie, Leukämie, etc bzw. allgemeine Immunsuppression.

→ II: Erreger: Es handelt sich hierbei um ein gram-positives, anaerobes, sporenbildendes Stäbchen, bei dem insbesondere der NAP1/027-Stamm (Ribotyp 027) epidemisch eine wichtige Rolle spielt, da dieser Typ deutlich schwerere Krankheitsverläufe aufgrund einer 20-fach gesteigerten Toxinbildung aufweist.

 

Pathogenese:

→ I: Die Erkrankung wird durch eine Veränderung der Zusammensetzung der physiologischen Darmflora und konsekutiver Infektion mit dem Clostridium difficile hervorgerufen. Im Mittelpunkt des Pathomechanismus stehen die durch das Clostridium difficile gebildeten Toxine A und B, welche aktiv in das Darmlumen sezerniert werden und direkt an den Rezeptor der Enterozyten binden. Nach Aufnahme des Enterotoxin A bzw. Zytotoxin B in die Zelle entfaltet es seine zytotoxische Wirkung einerseits durch Lockerung des Zellverbundes, andererseits durch die Zerstörung des Zytoskeletts. Klinisches Korrelat ist der Flüssigkeitsverlust ins Darmlumen mit Nachweis einer wässrigen, teils blutigen Diarrhö:

→ 1) Clostridium difficile assoziierte Diarrhö weist einen sekretorischen Durchfall,

→ 2) Die pseudomembranöse Colitis eine exudative Diarrhö auf.

→ II: Die ausgeprägte Inflammation der Darmmukosa wird durch das Toxin verursacht:

→ 1) Enterotoxin: Aktiviert die Signaltransduktionskaskade der Immunabwehr durch Freisetzung von Entzündungmediatoren wie Interleukin IL-1, IL-6, IL-8, TNF sowie die chemotaktische Invasion der Granulozyten und Monozyten.

→ 2) Zytotoxin B: Schädigt vor allem das Zytoskelett der Darmmukosa.

→ III: Folge ist ein massiver Entzündungsprozess mit Fibrinablagerung in die Darmwand. Die pseudomembranöse Kolitis tritt zumeist unter der Antibiotikatherapie und/oder bis zu 2-3 Wochen nach der Therapie auf.

527 Schädigungsmechanismen der Toxine des Clostridium difficile

 

  Klinik: In der Regel tritt die klinische Symptomatik der pseudomembranösen Kolitis eine Woche nach Beginn einer antibiotische Therapie auf; jedoch ist der Ausbruch der Erkrankung auch Wochen nach Absetzten der Antibiotikatherapie möglich:

→ I: Meist sich selbstlimitierende, breiige bis wässrig-schleimige Durchfälle.

→ II: Des Weiteren sind Fieber, Übelkeit und Abdominalschmerzen und -krämpfe, Dehydratation mit Exikkose, Elektrolytverschiebungen, etc. typische Symptome.

→ III: Schwere Krankheitsverläufe sind durch Blutbeimengungen, arterielle Hypotonie, Leukozytose und evtl. akutes Nierenversagen charakterisiert.

1164 Verlaufsform der Clostridium difficile Infektion

 

→ Komplikationen: Seltene, jedoch z.T. schwerwiegende Komplikationen der pseudomembranösen Kolitis sind insbesondere:

→ I: Toxisches Megakolon, paralytischer Ileus sowie Darmperforation mit der Gefahr der Entwicklung einer Peritonitis.

→ II: Sepsis und Schock.

→ III: In den seltensten Fällen ist insbesondere bei älteren Patienten eine fulminante Verlaufsform nachweisbar.

 

Diagnose: Die Diagnose beruht vor allem auf der klinischen Symptomatik und einer mikrobiologischen bzw. kulturellen Stuhluntersuchung zum Nachweis der Toxine A/B bzw. des Erregers. Auch die einmalige Antibiotikagabe kann eine pseudomembranöse Kolitis auslösen.

→ I: Amanmese: Wichtig hierbei ist die umfassende Eigenanamnese zur Eruierung von vorangegangenen operativen Eingriffen, der Medikamenteneinnahme (insbesondere Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine, Ampicillin, Clindamycin, etc.) und weiterer Vorerkrankungen.

 → II: Stuhluntersuchung: Zur Diagnosestellung müssen sowohl das Clostridium difficile als auch das Toxin nachgewiesen werden Hierzu gehören:

→ 1) Toxinnachweis: Mittels ELISA; weist mit > 90% eine hohe Sensitivität und Spezifität auf.

→ 2) Nachweis des Clostridium difficile Bakteriums durch Anzucht auf einem Selektivagarmedium.

→ 3) Hoch sensitiv und spezifisch ist die Toxin-Gen-PCR, jedoch aufgrund der hohen Kosten nur bei unklarer Befundkonstellation indiziert.

→ III: Proktosigmoidoskopie: Charakteristisches Bild der Kolitis mit einer ausgeprägten vulnerablen, massiv geröteten Dickdarmmukosa und den typischen weiß-gelblich, membranartigen Plaques, die auf den Haustren als streuselkuchenartig Läsionen aufsitzen. Diese Läsionen sind insbesondere im linksseitigen Kolon nachzuweisen.

 

→ Differenzialdiagnose: Von der pseudoembranösen Kolitis ist u.a. abzugrenzen:

→ I: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, mikrosklopische Kolitis, ischämische Kolitis, Strahlenkolitis, aber auch kolorektales Karzinom, etc.

→ II: Andere bakterielle und virale Enterotitiden wie Campylobacter Enteritis, Listeriose, Yersinien- und Shigellen-Enteritis, etc.

→ III: Reizdarmsyndrom sowie Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie die Zöliakie, Laktoseintoleranz, etc.

 

Therapie:

→ I: Allgemeine Maßnahmen: Clostridium-Träger ohne klinische Symptomatik bedürfen keiner Behandlung. Ansonsten sollte das Antibiotika abgesetzt werden. Bei einem Teil der Betroffenen kommt es innerhalb von 2-3 Tagen zum sistieren der Diarrhoe. Weitere Maßnahmen sind u.a.: 

→ 1) Wasser und Elektrolytausgleich,

→ 2) Bei toxischem Megakolon, drohender Perforation, Ileus-Entwicklung sollte frühzeitig eine subtotale Kolektomie in Erwägung gezogen werden.

 

→ Klinisch-relevant: Patienten mit einer pseudomembranösen Kolitis sollten isoliert werden. Folgende Maßnahmen stehen im Vordergrund:

→ A) Möglichst Einzelzimmer, mit eigener Toilette bzw. Nachtstuhl.

→ B) Tragen eines Kittels und von Handschuhen bei engem Kontakt mit dem Patienten oder den infektiösen Ausscheidungen.

→ C) Händewaschen nach Händedesinfektion um die alkoholresistenten Sporen abzuspühlen.

→ D) Nach sistieren der Diarrhoe kann die Isolation aufgehoben werden.

 

1165 Therapiealgorithmus bei der Clostridium difficile Infektion

 → II: Medikamentöse Therapie: Sie ist indiziert bei:

→ 1) Fortbestehender Diarrhoe trotz Pausierung der Antibiotikabehandlung,

→ 2) Notwendigkeit, die Antibiotikatherapie aufgrund eines schweren Grundleidens fortzusetzten.

→ 3) Mittel der ersten Wahl ist bei leichter Verlaufsform die Gabe von Metronidazol per os (4x 400mg/d über 10 Tage). Bei schwerer bzw. fulminanter pseudomembranöser Kolitis ist die Applikation von Vancomycin (3x 1g/d ebenfalls über 10 Tage) per os indiziert.

→ III: Rezidivprophylaxe: Das Auftreten eines Rezidivs ist mit 20-60% der Fälle relativ hoch und steigt mit jedem neuen Rezidiv.

→ 1) Beim ersten Rezidiv ist die Therapie analog der Initialtherapie.

→ 2) Beim 2. Rezidiv erfolgt die sofortige Gabe von Vancomycin mit einer Dosierung von 4x 125mg/d über 14 Tage, anschließend wird Vancomycin über 6-7 Wochen ausgeschlichen.

Clostridium difficile Infektion

 → IV: Fäkaler Mikrobiomtransfer: Hierbei kommt es zur Übertragung des Darm-Mikrobioms von einem gesunden Spender. Die rezidivierende bzw. refraktäre Infektion mit Clostridium difficile stellt bis heute die einzige Indikation für einen Mikrobiom-Transfer dar (Voraussetzung ist eine vorangegangene adäquate medikamentöse Therapie).

→ 1) Die Durchführung erfolgt u.a. mittels naso-intestinaler Sonde, Intestinoskopie, Koloskopie, rekalem Einlauf, etc.

→ 2) Die Heilungsrate liegt hierbei bei bis zu 90% der Fälle. 

 

→ Prognose:

→ I: Die Gesamtletalität liegt bei der pseudomembranösen Kolitis zwischen 6-30% und steigt mit dem Alter.

→ II: Wichtige präventive Maßnahmen sind:

→ 1) Die Reduktion der Antibiotikaverschreibung sowie der Therapiedauer.

→ 2) Die Applikation von Probiotika wie z.B. Perenterol können einen positiven Effekt hervorrufen.