→ Definition: Bei der heparininduzierten Thrombozytopenie handelt es sich um eine (allgergische) Thrombozytopenie aufgrund eines Heparin-Kontaktes; zumeist bei Gabe von unfraktioniertem Heparin; es werden 2 Formen unterschieden:
→ I: HIT-Typ I: (= Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ I)
→ 1) Es handelt es sich um eine frühzeitige, nicht-immunologische, heparininduzierte Thrombozytopenie, die durch die direkte Thrombozytenaktivierung infolge einer Adenylatzyclase-Hemmung verursacht wird. Es werden somit keine Antikörper gebildet.
→ 2) Es entwickelt sich häufig eine leichte komplikationslose Thrombozytopenie (100-150/nl) und tritt zumeist zu Behandlungsbeginn, in den ersten Tagen (12-48 Stunden), auf.
→ 3) Meist ist sie spontan reversibel, sodass die Fortführung der Heparin-Therapie möglich ist.
→ II: HIT-Typ II: (= Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ II)
→ 1) Bei der heparininduzierten Thrombozytopenie Typ II handelt es sich um eine immunologisch bedingte, Antikörper-vermittelte (IgG-Antikörper) Nebenwirkung, die im Zuge einer Heparin-Therapie auftreten kann.
→ 2) Sie ist eine potenziell lebensbedrohliche Arzneimittelnebenwirkung.
→ 3) Charakteristischerweise ist sie Dosis-unabhängig.
→ Epidemiologie:
→ I: Die heparininduzierte Thrombozytopenie stellt die häufigste Immunthrombozytopenie dar. Die Inzidenz ist infolge der Verwendung von Nicht-Heparin-Antikoagulantien und synthetischen Heparinen, wie das Fondaparinux, deutlich rückläufig.
→ II: HIT-Typ I: Tritt bei der Behandlung mit UFH (unfraktioniertem Heparin) in 5-10% der Fälle, beim niedermolekularem Heparin (= NMH /fraktioniertes Heparin) in 0,5-1% der Fälle auf.
→ III: HIT-Typ II: Manifestiert sich bei der Behandlung mit UFH in 3%, bei NMH in 0,1% der Fälle nachweisbar.
→ Ätiologie: Bei der HIT-Typ II kommt es zur Bildung von Autoantikörpern gegen einen Komplex, bestehend aus Plättchenfaktor 4 und Heparin. Dieser Komplex bindet an den IgG-Fc-Rezeptor der Thrombozyten und führt hierüber zu einer Thrombozytenaktivierung, wodurch prokoagulatorische Mikropartikel gebildet und Plättchenfaktor 4 (PF-4) ausgeschüttet wird. Dies hat 2 Effekte zur Folge:
→ I: PF-4 bindet an Heparin und neutralisiert dieses.
→ II: PF-4 bindet an Heparansulfat der Endothelzellmembran und führt über die Aktivierung der Endothelzellen zur vermehrten Thrombinbildung.
→ Klinisch-relevant: Heparin-Neutralisierung und Thrombinbildung führen zur Thrombozytopenie und thrombotischen Ereignissen.
→ Klinik:
→ I: HIT-Typ I:
→ 1) Etwa 2-4 Tage nach Beginn der Heparin-Therapie manifestiert sich dosisbhängig ein moderater Abfall der Thrombozyten um 30%, meist jedoch nicht < 100000/µl. Klinische Beschwerden (wie z.B. Phlebothrombosen, Purpura, etc.) fehlen in der Regel. Gewöhnlich steigt die Thrombozytenzahl nach einigen Tagen spontan wieder bis in den Normbereich an.
→ II: HIT-Typ II:
→ 1) Innerhalb von 5-14 Tage nach Beginn der Heparintherapie entwickelt sich bei nicht-sensibilisierten Patienten ein ausgeprägter Abfall der Thrombozyten, deutlich < 100000/µl bzw. um > 50% des Ausgangswertes.
→ 2) Bei sensibilisierten Patienten tritt es innerhalb von Stunden auf.
→ 3) Bei 20% der Patienten zeigt sich dann (gerade bei einer Thrombozytenzahl < 50000/µl) trotz normaler PTT ein White-clot-Syndrom mit Zeichen einer Thrombophilie bis hin zu lebensbedrohlichen arteriellen und venösen Embolien bzw. Gefäßverschlüssen (v.a. Lungenembolien); Blutungen findet man in 5% der Fälle.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Vor jeder Gabe eines unfraktionierten Heparins immer den Thrombozyten-Ausgangswert bestimmen.
→ B) Unter der UFH-Therapie 2x/Woche Thrombozytenkontrolle bis zum Therapieende.
→ C) Bei Auftreten von Thromboembolien unter Heparintherapie immer an eine HIT-Typ II denken, denn eine mögliche Fehldiagnose mit Erhöhung der Heparindosis führt oftmals zum White-clot-Syndrom.
→ Diagnose:
→ I: Abfall der Thrombozyten deutlich unter 100000/µl bzw. > 50% des Ausgangswertes.
→ II: Nachweis der Auto-AK gegen den PF-4/Heparin-Komplex mittels ELISA oder HIPA-Test (= Heparin-induzierter-Aktivierungs-Test).
→ III: HIT-Score: Es handelt sich um ein Testverfahren mit dem man bei Patienten die Wahrscheinlichkeit für eine heparin-induzierte Thrombozytopenie beurteilen kann. Es enthält folgende Kriterien:
→ Differenzialdiagnose: Von der heparininduzierten Thrombozytopenie müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: HIT-Typ I: Siehe oben.
→ II: Sepsis und disseminierte intravasale Koagulopathie (= DIC),
→ III: Schwere Lungenembolie.
→ IV: Autoimmunthrombozytopenie: Anderer Genese wie bei:
→ 1) Idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (= ITP),
→ 2) Beim SLE und Antiphospholipid-Syndrom,
→ 3) Sekundär bei Malingomen.
→ V: GPIIb/IIIA-Inhibitor (Clopidogrel) induzierte Thrombozytopenie: Tritt innerhalb von 12 Stunden nach Clopidogrel-Gabe mit ausgeprägter Thrombozytopenie (< 20000/µl) und schweren Blutungskomplikationen auf.
→ VI: Post-Transfusions Purpura: (= PTP) Zeigt sich in > 90% der Fälle bei Frauen, die vor-immunisiert sind, mit Thrombozytenwerten < 20000/µl und schweren Blutungskomplikationen.
→ VII: Weitere Differenzialdiagnosen: Sind u.a.
→ 1) Hämatolyse und hämatologische Erkrankungen.
→ 2) Hypothermie und nach Chemotherapie und nicht zuletzt beim HELLP-Syndrom.
→ Therapie:
→ I: HIT-Typ I: Hierbei erfolgt eine Weiterführung der Heparintherapie unter regelmäßiger Kontrolle der Thrombozytenzahl, denn es kommt oftmals zur spontanen Remission in einem Zeitraum von 1-5 Tagen.
→ II: HIT-Typ II:
→ 1) Sofortiges Absetzten der Heparintherapie.
→ 2) Wechsel auf eine anderes Antithrombotikum, wie:
→ A) Danaparoid: Hierbei handelt es sich um eine Heparinoid, welches in 5-10% der Fälle eine Kreuzreaktion mit Heparin aufweist (Kontrolle erfolgt über die Bestimmung der Faktor-Xa-Aktivität).
→ B) Lepirudin: (z.B. Reflundan) Das Präparat ist eine direkter Thrombininhibitor oder
→ C) Argatroban: (z.B. Argatra) Hemmt auch direkt das Thrombin.
→ 3) Bei schweren Thromboembolien ist eine Fibrinolyse indiziert.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die Thrombozytensubstition ist wegen der Induktion weiterer Thrombosen zu vermeiden.
→ B) Auch die Gabe von Vit-K-Antagonisten (z.B. Macumar) kann bei HIT-Patienten ebenfalls zu paradoxen Thrombosen führen. Deshalb sollte sie erst nach der Normalisierung der Thrombozyten erfolgen.