Definition: Die Hyperprolaktinämie beschreibt eine Erhöhung der Prolaktin-Konzentration über den Normbereich von 2-25µg/l (pathologische Prolaktin-Konzentration > 200µg/l). Beim Prolaktinom handelt es sich (überwiegend) um ein Prolaktin-produzierendes Adenom des Hypophysenvorderlappens mit konsekutiver Hyperprolaktinämie.

Epidemiologie:

→ I: Das Prolaktinom stellt den häufigsten endokrin-aktiven Hypophysentumor (Adenom) dar und ist in 20% der Fälle Ursache einer sekundären Amenorrhoe.

→ II: Die Indizidenz liegt in Deutschland bei 5-6/100000 Einwophner pro Jahr.

→ II: Frauen (überwiegend Mikroprolaktinome mit geringem Wachstum) sind deutlich häufiger betroffen als Männer (überwiegend Makroadenome), wobei der Manifestationsgipfel zwischen dem 20.-40. Lebensjahr liegt.

 

Ätiopathogenese: Prolaktin-produzierendes Hypophysenadenom:

→ I: Prolaktin leitet die Laktation der Brustdrüse ein und wird durch den Hypothalamus reguliert. Regulatorische Mechanismen sind u.a.:

→ 1) Prolactin-inhibiting-factor (= Dopamin) hemmt die Ausschüttung,

→ 2) TRH fördert die Ausschüttung von Prolaktin.

→ II: Häufigste physiologische Ursache für eine Hyperprolaktinämie ist die Schwangerschaft mit Anstieg des Prolaktinspiegels auf das 10-fache des Normwertes. Auch der Saugreiz beim Stillen ruft eine Hyperprolaktinämie hervor.

→ III: Beim Prolaktinom entwickelt sich über eine hypothalamisch-unabhängige (= autonome) Prolaktinproduktion und -sekretion eine Beeinträchtigung der Hypophysen-Gonaden-Achse. Dies wiederum führt zur:

→ 1) Hemmung des Zyklus-bedingten LH-Anstiegs mit Anovulation und Hypoöstrogenämie.

→ 2) Ausbildung eines Hypogonadismus.

→ IV: Weitere Ursachen:

→ 1) Entzügelungshyperprolakinämie: Hierbei kommt es zur Kompression des Hypopyhsenstiels aufgrund von para- oder suprasellären Tumoren, die zu einer Unterbindung der Dopamin-Zufuhr, das als Prolactin-inhibiting-factor agiert, führen.

→ 2) Chronische Niereninsuffizienz mit konsekutiv verminderten Prolaktinclearance.

→ 3) Funktionelle Hyperprolaktinämie bei fortgeschrittener Leberzirrhose

→ 4) Primäre Hypothyreose führen über einen erhöhten TRH-Spiegel zu gesteigerten Prolaktinspiegeln.

→ 5) Medikamenten-induziert durch dopaminantagonistische Substanzen wie Antidepressiva, Neuroleptika, (z.B. Haloperidol), die mit Dopamin um den Rezeptor konkurrieren, aber auch atypische Neuroleptika, Antiemetika, Opiate, Kalziumantagonisten, etc.

902 Prolaktinstimulierende Medikamente

 

Klassifikation:

→ I: Mikroprolaktinom: 

→ 1) Der Durchmesser ist < 1cm;

→ 2) Sie bleiben häufig größenkonstant mit einem stabilen Prolaktinspiegel.

→ 3) Stellt mit 70% die häufiger Form dar und treten zumeist beim weiblichen Geschlecht auf.

II: Makroprolaktinom: 

→ 1) Der Durchmesser ist > 1cm; die Prolaktin-Konzentration liegt meist > 200ng/ml und es manifestiert sich eine anhaltende Proliferation.

→ 2) Makroprolaktinome treten bei Frauen und Männern gleich häufig auf.

→ 3) Hierbei stehen insbesondere die Folgen (abhängig von der Tumorgröße) der Raumforderung mit z.B. Kopfschmerzen, Hirnnervenausfällen, Blickparesen, Gesichtsfeldausfällen, etc im Vordergrund)

 

  Klinik: Leitsymptom des Prolaktinoms ist der Hypogonadismus mit einer charakteristischen klinischen Symptomatik:

→ I: Frauen: Klassische Symptome sind Zyklusstörungen mit Anovulation, sekundärer Oligo- bis Amenorrhoe, Infertilität, Galaktorrhoe und Libidoverlust, aber auch Hirsutismus und Akne.

II: Männer: Störungen der Libido und Potenz bis hin zur Impotenz, sowie eine Gynäkomastie.

III: Spätsymptome: Als lokale Komplikation der Raumforderung sind u.a. chronische Kopfschmerzen, evtl. Störungen des Gesichtsfeldes (bilaterale Hemianopsie) sowie Ausfälle weiterer Hirnnerven, insbesondere die Augenmuskelparese. Weitere Spätsymptome sind Osteoporose bei langjährigem Hypogonadismus, psychische Störungen mit ängstlichen Verstimmungszuständen und Depression, aber auch Zeichen einer Hypophyseninsuffizienz mit Verminderung oder Ausfall der Sekretion von GH, ACTH, FSH, LH (= Hypopituitarismus).

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Medikamentenanamnese (z.B. Östrogene, Neuroleptika, Metoclopamid, Alpha-Methyldopa, etc.), Ausschluss einer primären Hypothyreose, sowie einer chronischen Niereninsuffizienz bzw. Leberzirrhose.

→ II: Labor:

→ 1) Mehrfache Bestimmung der Prolaktinkonzentration. Werte > 200ng/ml sind beweisend; Werte zwischen 25-200ng/ml bedürfen einer weiteren Abklärung.

901 Geschlechtsspezifische Hormonveränderung beim Prolaktinom

 

Klinisch-relevant:

→ A) Prolaktin unterliegt einer zirkadianen Rhythmik; während des Schlafes, vor allem früh morgens ist die Konzentration am höchsten und nimmt über den Tag hin ab. Eine Prolaktinbestimmung sollte aufgrund dessen erst 1-2 Stunden nach dem Aufwachen erfolgen.

→ B) Stressoren wie starke Schmerzen, etc., aber auch eine Hypothyreose können zu einem Prolaktinanstieg führen.

 

 2) TRH-Test: Zur Kontrolle der laktotropen Achse (bzw. der hypophysären Funktion). Bestimmung des Prolaktin-Basal-Wertes; anschließend Gabe von 200µg TRH intravenös. und nach 30min. erneute Blutabnahme zur Prolaktinbestimmung. Typischerweise bleibt beim Prolaktinom der Prolaktin-Anstieg aus.

→ 3) Weitere Laborparameter sind TSH, Kreatinin und ein Schwangerschaftstest.

→ III: CT/MRT: Zur Tumorsuche; ist die Untersuchung positiv sollte eine Kontrolle der Hypophysenpartialfunktionen durch Bestimmung der basalen Hormonkonzentrationen erfolgen.

 

  Differenzialdiagnose: Weitere Ursachen, die zu einer Hyperprolaktinämie führen können:

I: Hyperprolaktinämie: Aufgrund einer verminderten hypothalamischen Hemmung; para- und supraselläre Tumoren können durch Kompression bzw. Zerstörung der Prolactin-inhibiting-factor (= Dopamin) produzierenden Zellen eine Hyperprolaktinämie induzieren.

II: Medikamentös-induziert: Durch Neuroleptika (gerade Haloperidol), Antidepressiva (Imipramin, Amitriptylin), Antiphypertensiva wie Alpha-Methyldopa, Reserpin, Verapamil, ß-Blocker (Propranolol), Antiemetika (Metoclopramid, Domperidon), Antihistaminika (Ranitidin, Cimetidin) oder Östrogen induziert.

→ III: Funktionell: Im Stadium der chronischen Niereninsuffizienz und fortgeschrittenen Leberzirrhose

aber auch im Zusammenhang einer MEN-I (= Wermer-Syndrom).

→ IV: Bei der primären Hypothyreose (eine primäre Hypothyreose führt zu einem Anstieg des TRH, welches eine positive Wirkung auf die Prolaktinsekretion hat).

V: Bei Galaktorrhoe muss auch immer ein Mamma-Karzinom ausgeschlossen werden.

VI: Physiologisch: In der Schwangerschaft und Stillzeit.

 

Therapie:

→ I: Medikamentös: Die Behandlung mit einem Dopamin-Antagonisten führt nicht nur zu einer Prolaktinkonzentrationsreduktion, sondern hat auch einen antiproliferativen Effekt mit Größenabnahme des Tumors.

→ 1) Als Mittel der 1.Wahl haben sich Dopamin2-Rezeptoragonisten wie Bromocriptin, Quinagolid oder Cabergolin etabliert.

→ 2) Sie führen frühzeitig zu einer Senkung des Prolaktinspiegels sowie zu einer Reduktion der Tumorgröße.

3) Dosierung: Es erfolgt eine einschleichende Therapie, um mögliche Nebenwirkungen wie (Übelkeit, Erbrechen, orthostatische Dysregulation) zu vermeiden.

→ 4) Nach 2-3 Jahren kann bei normaler Prolaktinkonzentration ein Auslassversuch (kontrovers diskutiert) angestrebt werden. Es sind jedoch engmaschige Prolaktin-Kontrollen obligat. Zumeist wird die pharmakologische Behandlung lebenslang fortgesetzt. 

905 Dosierung der Dopainagonisten in der Behandlung der Hyperprolaktinämie

→ II: Operativ: Eine transsphenoidale Adenomektomie ist nur bei Unverträglichkeit oder erfolgloser medikamentöser Therapie (bestehende Gesichtsfeldausfälle) indiziert.

→ III: Bestrahlung: Die konventionelle externe Bestrahlung erfolgt nur bei invasiv wachsenden Makroadenomen, die durch eine medikamentöse oder chrirurgische Therapie in Bezug auf das Tumorwachstum und die Prolaktinsekretion nicht beherrscht werden können.

 

Prognose: Gerade bei den Mikroadenomen kann durch eine adäquate medikamentöse Therapie eine Normalisierung des Menstruationszyklus und der Ovulation erreicht werden.