→ Definition: Bei der AV-Knoten-Reentry-Tachykardie handelt es sich um eine paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie, die sich aufgrund eines Reentrys im AV-Knoten entwickelt. Die Herzfrequenz ist regelmäßig und liegt zumeist zwischen 150-250 Schlägen/min.
→ Epidemiologie:
→ I: Sie stellt die häufigste paroxysmale Tachykardie dar und tritt zumeist bei Herzgesunden auf.
→ II: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 30.-50. Lebensjahr, tritt aber auch nicht selten im Jungendalter auf.
→ III: Frauen sind deutlich häufiger als Männer betroffen.
→ Pathophysiologie:
→ I: Grundlage der AV-Knoten-Reentry-Tachykardie ist eine angeborene Fehlbildung bzw. Normvariante des kardialen Reizleitungssystems im AV-Knoten mit funktionell getrennten Leitungsbahnen, die über unterschiedliche Leitungsgeschwindigkeiten und Refraktärzeiten verfügen; folglich kommt es zur Entwicklung von kreisenden Bewegungen.
→ II: Charakteristikum ist die o.g. funktionelle Zweiteilung des AV-Knotens in einen:
→ 1) Slow-Pathway: Langsame antegrade Bahn, die die Erregung in die Kammer leitet und
→ 2) Fast-Pathway: Schnelle retrograde in die Vorhöfe leitende Bahn; sie weist eine längere Refraktärzeit auf.
→ III: Triggermechanismus ist eine supraventrikuläre Extrasystole, die zumeist zu einer Aktivierung der langsamen antegraden Bahn führt, während sich die retrograde Leitung noch in der Refraktärphase befindet. Anschließend jedoch wird die schnelle retrograde Bahn erregt, die den Impuls zum einen wieder an die Vorhöfen leitet und diese erregen, zum anderen wird aber auch die antegrade Leitungsbahn erneut stimuliert, sodass der Reentry-Mechanismus eingeleitet ist.
→ Klassifikation: Aufgrund des unterschiedlichen (dualen) Leitungs- und Refaktärverhaltens werden 2 Typen der AVNRT unterschieden:
→ I: Slow-Fast-Typ: (= typische Form) ist mit 90% der Fälle die häufigere Form. Der Impuls verläuft antegrad vom Vorhof über die langsame Bahn und retrograd über die schnelle Leitung.
→ II: Fast-Slow-Typ: (= atypische Form) Die Erregung verläuft in umgekehrter Richtung, antegrad über die schnelle - und retrograd über die langsame Leitungsbahn. Sie ist mit < 10% die seltenere Form.
→ III: Slow-Slow-Typ: Sehr seltene Form, bei der sowohl die antegrade als auch die retrograde Impulsrichtung über eine langsame Bahn erfolgt.
→ Klinik:
→ I: Klassisches Leitsymptom ist das plötzlich anfallartige Auftreten von Herzrasen und Palpitation; die Symptomatik kann Minuten bis Stunden anhalten und endet zumeist schlagartig (z.T. aber auch schleichend).
→ II: Weitere Symptome: Sind u.a.:
→ 1) Schwächegefühl, Unwohlsein, Angstgefühl, evtl. Dyspnoe, aber auch Schwindel und Synkopen.
→ 2) Im Anschluss entwickelt sich häufig eine Polyurie aufgrund einer vermehrten Ausschüttung des ANP (= Atriales natriuretisches Peptid.
→ III: Bei vorbestehender organischer Herzerkrankung sind Symptome wie Schwindel, Synkopen, akute Herzinsuffizienz, Angina pectoris und selten der kardiogene Schock zu beobachten.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese: Zumeist junge Patientin, die über plötzlich einsetzende Tachykardien klagt und evtl. durch eine Vagusreizung (z.B. tief einatmen und anschließend lange pressen) die Tachykardie terminieren kann.
→ II: EKG: Mittel der Wahl bei der AV-Knoten-Reentry-Tachykardie ist das EKG. Charakteristischerweise zeigt sich im EKG:
→ 1) Tachykardie mit einer Frequenz von 150-220 Schlägen/min und schmalen normal-konfiguriertem QRS-Komplexen.
→ Klinisch-relevant: Besteht eine aberrierende (= ungewöhnlich-verlaufende) Leitungsbahn ist elektrokardiographisch ein schenkelblockartig verbreiterter QRS-Komplex (EKG-Befund: Schenkelblock allgemein), der nur schwierig von der Kammertachykardie zu unterscheiden ist, nachweisbar.
→ 2) Die P-Welle ist zumeist nicht sichtbar, kann aber auch abhängig von der Leitungsrichtung und -geschwindigkeit kurz vor oder nach dem QRS-Komplex auftreten.
→ Differenzialdiagnose: Von der AV-Knoten-Reentry-Tachykardie abzugrenzen sind insbesondere:
→ I: Atrioventrikuläre Tachykardie aufgrund einer akzessorischen Leitungsbahn,
→ II: Digitalisintoxikation,
→ III: Ektope atriale Tachykardie,
→ IV: Sinustachykardie,
→ V: Existiert ein breiter QRS-Komplex muss die Kammertachykardie ausgeschlossen werden.
→ Therapie: Die Therapie richtet sich nach der Symptomatik, Häufigkeit und der Dauer des Patienten.
→ I: Akuttherapie:
→ 1) Symptomatisch durch die Vagusreizung mittels Valsalva-Pressversuch, schnelles Trinken eines kalten kohlensäurehaltigen Getränks, Dive-Reflex (= Tauchen des Kopfes in kaltes Wasser), etc.
→ 2) Medikamentöse Therapie:
→ A) Adenosin: Insbesondere die intravenöse Applikation (6mg als Bolus) hat sich als sehr wirksam erwiesen. Hierbei kann es kurzfristig zu einer AV-Überleitung-Blockade (EKG-Befund: AV-Block) kommen (als Antidot wird Theophyllin eingesetzt).
→ B) Weitere Nebenwirkungen sind u.a. Flush, Bronchospamus, Druckgefühl in der Brust, Blutdruckabfall und Asystolie.
→ C) Wichtige Kontraindikationen für die Applikation von Adenosin sind insbesondere atriale Tachykardien bei WPW-Syndrom, (mit der Gefahr der Auslösung eines Kammerflimmerns), Vorhofflimmern, Sick-Sinus-Syndrom, QT-Verlängerung, etc.
→ D) Alternativ kann Verapamil in einer Dosis von 5-10mg i.v. erwogen werden. Auch bei dieser Substanz müssen vor allem die Kontraindikationen wie atriale Tachykardie bei WPW-Syndrom, Sick-Sinus-Syndrom, manifeste Herzinsuffizienz (aufgrund der negativ-inotropen Wirkung), Hypotonie, Vorbehandlung mit einem ß-Blocker etc. beachtet werden.
→ 3) Elektrotherapie: Insbesondere bei medikamentöse Therapietherapieresistenz und hämodynamisch instabilen Patienten mit Hypotonie oder möglicher Gefahr eines kardiogenen Schocks ist das Overdrive-Pacing bzw. die Kardioversion indiziert. Es wird mit einer Energiedosis von 100J. begonnen. Bei Therapieversagen kann anschließend die Energiedosis gesteigert werden.
→ Klinisch-relevant: Eine Kontraindikation der Elektrotherapie stellt das Rezidiv einer vorangegangenen paroxymalen supraventrikulären Tachykardie, die mittels Kardioversion behandelt wurde, dar.
→ II: Intervalltherapie: Bei häufigen Rezidiven der AVNRT und/oder deutlich ausgeprägter Symptomatik besteht die Therapieoption der Hochfrequenz-Ablation der langsam-leitenden Bahn (= Low-pathway-Ablation).
→ Prognose:
→ I: Die Prognose ist generell sehr gut und es bedarf zumeist keiner Therapie (viele Patienten können ihre Tachykardie mittels Vagusreizung z.B. Valsalva-Manöver selbst terminieren).
→ II: Bei der Hochfrequenz-Ablation, die den Erregungskreislauf dauerhaft unterbricht, liegt die Erfolgsrate bei > 95%; in 5% der Fälle können Rezidive auftreten, die mit der gleichen Therapieoption angegangen werden können.
→ III: Eine wichtige und schwerwiegende Komplikation der Hochfrequenz-Ablation ist die Schädigung des AV-Knotens (in bis zu 5% der Fälle) mit konsekutiver Auslösung eines AV-Blocks III Grades (EKG-Befund: AV-Block).