→ Definition: Bei Lithium handelt es sich um ein Phasenprophylaktikum (= "mood stabilizer" = Stimmungsstabilisierer), das zur Stabilisierung manischer oder depressiver Phasen im Zuge affektiver oder schizoaffektiver Störung eingesetzt wird. Der mittlere Wirkungsspiegel liegt zwischen 0,6-1,2mmol/l.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Lithium wird ausschließlich über die Niere eliminiert.
→ B) Aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite können sich schnell Überdosierung und/oder Intoxikation entwickeln.
→ Ätiologie: Ursachen für die Ausbildung einer Lithium-Intoxikation sind:
→ I: Dehydratation und Exsikkose,
→ II: Kalium und Kochsalzmangel, verursacht durch natriumarme Diät, Diuretika, Diarrhoe und Schwitzen.
→ III: Fieberhafte Infekte, Gastroenteritis,
→ IV: Nierenfunktionsstörungen mit Elektrolytverschiebungen,
→ V: Medikamentös bedingte, verminderte Lithium-Clearance der Niere durch NSAR, Allopurinol, ACE-Hemmer oder Thiaziddiuretika, SSRI, Neuroleptika, Anästhetika.
→ VI: Narkosen und Operationen (Cave: die Lithium-Therapie sollte 3-4 Tage vor OP pausiert werden, da die Wirkung neuromukulärer Blocker durch Lithium deutlich verlängert wird.).
→ VII: Akzidentelle oder im Rahmen eines Suizids induzierte Überdosierung bzw. iatrogen durch fehlende Plasmaspiegelkontrollen.
→ Klinik: Das klinische Bild der Lithium-Intoxikation verläuft in Stadien, in Abhängigkeit vom Lithium-Serumspiegel (Zeichen der Intoxikation zeigen sich bei einem Serumspiegel von 1,4mmol/l, unterliegt jedoch individuellen Schwankungen. Gerade ältere Patienten können bei einer Serumkonzentration von 1,0mmol/l Intoxikationszeichen aufweisen); Der Beginn einer Intoxikation ist zumeist einschleichend und deutet sich u.a. durch Intensivierung oder Neuauftreten von unerwünschten Wirkungen an (kann vom Patienten initial verkannt werden).
→ I: Stadium 1: Lithium-Serumspiegel zwischen 1-1,5mmol/l: Müdigkeit, Schwindel, Konzentrationsstörungen, verwaschene Sprache, Tremor, Parkinsonoid mit Zahnradphänomen, Übelkeit, Erbrechen und Diarrhoe.
→ II: Stadium 2: Lithium-Serumspiegel zwischen 1,6-2,0mmol/l; Vigilanzstörungen, Somnolenz, Desorientierung, Verwirrtheitszustände, grobschlägiger Tremor und Muskelfibrillationen.
→ III: Stadium 3: Lithium-Serumkonzentration > 2,5mmol/l; Bewusstseinseintrübung bis hin zum Koma, Delir, Nystagmus, Ataxie, extrapyramidal-motorische Symptome, generalisierte Muskelzuckungen, Krampfanfälle, Nierenfunktionsstörungen, Bradykardie, arterielle Hypotonie, AV-Blockierung (EKG-Befund: AV-Block), Schock bis hin zum Herz-Kreislaufstillstand.
→ Therapie:
→ I: Allgemeine Therapiemaßnahmen:
→ 1) Sofortiges Absetzten von Lithium, Überwachung von Atmung, Herz-Kreislauf und Bewusstseinslage.
→ 2) Möglichst frühzeitige Magenspülung; Die Applikation von Aktivkohle ist wirkungslos, da Lithium sich nicht an Aktivkohle bindet. Vielmehr sollte ein Kationenaustauscher wie Polystyrolsulfonat (Resonium A) verabreicht werden, um die Resorption von Lithium zu vermindern.
→ II: Lithium-Serumspiegel < 2mmol/l:
→ 1) Ausreichende, parenterale Flüssigkeit- und Elektrolytsubstitution (isotone Kochsalzlösung), evtl. ist eine Natriumsubstitution zur Steigerung der renalen Lithium-Clearance indiziert.
→ 2) Aufrechterhaltung der Diurese mit Triamteren oder Spironolacton (Thiazide und Schleifendiuretika sind kontraindiziert).
→ III: Lithium-Serumkonzentration > 2mmol/l: Mittel der Wahl ist die Hämodialyse; hierbei sollte eine Lithium-Serumkonzentration < 1mmol/l angestrebt werden. In der Regel dauert dies 4-5 Stunden. Bei erneutem Serum-Lithiumanstieg >1 mmol/l ist eine erneute Hämodialyse indiziert.
→ Prophylaxe: Um einer Überdosierung bzw. Intoxikation entgegenzuwirken, sind bei der Langzeitbehandlung mit Lithiumsalzen vierteljährige Serumspiegelkontrollen obligat. Wichtige Kontrollparameter hierbei sind u.a.:
→ I: Kontrolle des Körpergewichtes und des Halsumfangs,
→ II: Blutdruck und Puls,
→ III: Lithiumspiegel sowie die Bestimmung des Kreatinins, der Elektrolyte und der Schilddrüsenhormone (TSH, T3,T4) im Serum.
→ IV: Weitere Untersuchungen sind EKG und EEG.