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- Geschrieben von: CF
- Kategorie: Tiefgreifende Entwicklungsstörungen / Autismus-Spektrum-Störungen
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→ Definition: Beim Rett-Syndrom handelt es sich (neben dem frühkindlichen Autismus und Asperger-Syndrom) um eine weitere tiefgreifende Entwicklungsstörung, die aufgrund einer progressiven Enzephalopathie zur Neurodegeneration mit konsekutiver neuropsychiatrischer Symptomatik führt. Charakteristikum ist der Verlust bereits erworbener Fähigkeiten.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Prävalenz für das Rett-Syndrom liegt in Deutschland bei 1/10000-1/15000, wobei fast ausschließlich das weibliche Geschlecht betroffen ist. Weltweit sind bisher 2000 gesicherte Krankheitsfälle bekannt; in Deutschland sind es etwa 300 Fälle.
→ II: Die Erkrankung manifestiert sich zumeist in der 2. Hälfte des ersten Lebensjahrs.
→ Ätiologie: Ursache ist eine Mutation des auf dem langen Arm des X-Chromosoms gelegenen MECP-2-Gens (= Methyl-CpG-bindenden Protein-2-Gens und unterliegt der X-Inaktivierung) mit konsekutiver Fehlregulation der Gene und negativer Auswirkung auf die Entwicklung des ZNS während der Embryogenese. MECP-2 bindet an methylierte CpG-Dinucleotide in der DNA und beeinflusst so die Transkription.
→ I: Bei 80% der Betroffenen handelt es sich um Missens-, Nonsens- oder kleinere Deletionen.
→ II: Bei 10-15% der Patientinnen sind große Deletionen als Ursache eruierbar.
→ III: Die Mutationen entstehen fast ausschließlich in der Spermatogenese und treten in > 99% der Fälle sporadisch auf (es handelt sich fast ausschließlich um Neumutationen, in 95% der Fälle auf dem X-Chromosom väterlicher Herkunft).
→ IV: Phänotyp/Genotyp:
→ 1) Nonsens-Mutationen führen zu einem schwereren Phänotyp als Missens-.
→ 2) Zum anderen bestimmt die X-Inaktivierung über die Ausprägung der klinischen Symptomatik.
→ Pathologie:
→ I: Makroskopisch zeigen sich beim Rett-Syndrom keine strukturellen Veränderungen, vielmehr eine Reduktion des Hirngewebes, die jedoch nicht fortschreitet.
→ II: Histologie:
→ 1) Regelrechte Anzahl an sehr kleinen dicht gepackten Neuronen mit deutlich reduzierter Anzahl an Dendriten.
→ 2) Typischerweise sind die Neuronen nur wenig verzweigt.
→ Klinik: Der Krankheitsbeginn des Rett-Syndroms manifestiert sich fast ausschließlich zwischen dem 7. und 24. Lebensmonat. Charakteristische Symptome sind u.a.:
→ I: Verlust erworbener motorischer und sprachlicher Fertigkeiten wie z.B. der zielgerichteten Handbewegungen, feinmotorischer Fähigkeiten sowie der expressiven und rezeptiven Sprache.
→ II: Stereotype wringende oder händewaschende Handbewegungen vor der Brust bzw. Kinn mit Reiben.
→ III: Fast immer Ausbleiben des Erlernens der Blasen- und Darmkontrolle.
→ IV: Verlust des sozialen Interesses, jedoch beibehalten einer Art sozialen Lächelns mit Blickkontakt, im Sinne eines „Durch-andere-Hindurchsehens“.
→ V: Weitere Symptome: Sind insbesondere:
→ 1) Unzureichendes Kauen der Nahrung,
→ 2) Exzessive Speicheln sowie Herausstrecken der Zunge.
→ 3) Häufig Episoden der Hyperventilation.
→ VI: Neurologische Symptome: Mit
→ 1) Hypotoner Muskulatur,
→ 2) Unkoordinierten Rumpfbewegungen,
→ 3) Entwicklung einer Skoliose oder Kyphoskoliose,
→ 4) Spinale Atrophie mit z.T. schweren starren Spastiken insbesondere der unteren Extremitäten.
→ 5) Entwicklung von epileptischen Anfällen zumeist vor dem 18. Lebensjahr.
→ Klassifikation: Beim Rett-Syndrom werden nach dem Schweregrad, der Symptomatik und dem Krankheitsbeginn verschiedene Formen unterschieden:
→ I: Kongenitales Rett-Syndrom: Keine Phase mit normaler Entwicklung.
→ II: Rett-Syndrom mit Anfällen in den ersten 6 Lebensmonaten.
→ III: Klassisches Rett-Syndrom mit der typischen Symptomatik.
→ IV: Rett-Syndrom mit unvollständiger Symptomatik (= milde Verlaufsform) und
→ V: Rett-Syndrom mit erhaltener Sprache.
→ Komorbiditäten: Häufig ist das Rett-Syndrom mit einer schwere geistigen Behinderung und intellektuellen Beeinträchtigung vergesellschaftet. Zudem entwickeln sich oftmals zerebrale Anfälle in der frühen bis mittleren Kindheit.
→ Diagnose:
→ I: Die Diagnose wird mit Hilfe der Anamnese, der charakteristischen klinischen Symptomatik und des Krankheitsverlaufes gestellt.
→ II: Eine Diagnosesicherung erfolgt molekulargenetisch (Genlokus Xq28).
→ Differenzialdiagnose: Vom Rett-Syndrom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Weitere tiefgreifende Entwicklungsstörungen wie der frühkindliche Autismus oder das Asperger-Syndrom, etc.
→ II: Weitere (genetisch bedingte) Syndrome wie z.B. das:
→ 1) Angelman-Syndrom oder
→ 2) Fragile-X-Syndrom, etc.
→ Therapie:
→ I: Eine kausale Behandlung existiert bis heute nicht. Die Einleitung von Frühförderungsmaßnahmen, wie heilpädagogische Interventionen, Musik-, Ergotherapie und nicht zuletzt Krankengymnastik können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und die Lebensqualität deutlich verbessern.
→ II: Auch die Beratung und Begleitung der betroffenen Familien (im Sinne der Psychoedukation) stellt einen weiteren Schwerpunkt der Therapie dar.
→ Prognose:
→ I: Das Rett-Syndrom weist einen charakteristischen Krankheitsverlauf auf; nach einer eindeutig normalen Entwicklung kommt es zur Verlangsamung des Kopfwachstums zwischen den 5. Lebensmonat und 4. Lebensjahr.
→ II: Der Verlust der erworbenen Fertigkeiten ist progredient und Remissionen sind nur begrenzt.
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→ Definition: Beim frühkindlichen Autismus handelt es sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die durch eine angeborene Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung in den Bereichen soziale Interaktion, Verhalten, Sprache und Kommunikation charakterisiert ist und sich definitionsgemäß vor dem 3. Lebensjahr manifestiert.
→ Epidemiologie:
→ I: Nach neueren Daten liegt die Prävalenz bei 10-15/10000 Neugeborenen.
→ II: Das Kanner Syndrom ist gekennzeichnet durch seinen frühzeitigen Krankheitsbeginn innerhalb der ersten Lebensmonate bis zum 3. Lebensjahr.
→ III: Jungen erkranken deutlich häufiger als Mädchen, mit einer Verteilung von etwa 3 : 1.
→ Ätiopathogenese: Bis heute fehlen eindeutige Erklärungsmodelle für die Ätiologie und Pathogenese. Man geht jedoch von einer biologischen Pathogenese mit insbesondere genetischen Ursachen aus (= polygene Vererbung mit Beteiligung von 6-10 Genen). So zeigt sich im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung ein 50-100mal erhöhtes Erkrankungsrisiko bei Geschwistern von Patienten mit Kanner-Syndrom. Hierbei ist nicht nur das Vollbild der Erkrankung impliziert, sondern auch einzelne Merkmale wie Kontaktstörungen, stereotype Verhaltensweisen, kognitive Einschränkungen etc.
→ Klinik: Charakteristischerweise entwickelt sich die klinische Symptomatik vor dem 3. Lebensjahr und persistiert während der gesamten Lebenszeit mit möglichen Veränderungen des Ausprägungsgrades. Das Störungsbild ist u.a. gekennzeichnet durch:
→ I: Soziale Interaktion: Qualitative Auffälligkeiten der sozialen Interaktion mit:
→ 1) Funktionsstörungen in der nonverbalen sozialen Interaktion mit Vermeidung von Blickkontakt, fehlender Entwicklung eines sozialen Lächelns und nicht zuletzt der differenzierten Mimik und Gestik zur Expression von Emotionen.
→ 2) Der Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen ist deutlich gestört, insofern als dass das Interessen an Mitmenschen fehlt bzw. nur als Werkzeug im Sinne als „Mittel zum Zweck“ dienlich ist. Im Spiel mit Gleichaltrigen reagieren Kinder mit Autismus nicht oder abwehrend; folglich werden keine Freundschaften geschlossen.
→ 3) Weitere Auffälligkeiten: Sind u.a. Unfähigkeit Freude oder Leid mit anderen zu teilen sowie das Fehlen eines emotional wechselseitigen Mitgefühls.
→ II: Sprach/Kommunikation: Wichtige qualitative Auffälligkeiten sind hierbei:
→ 1) Etwa die Hälfte der Kinder mit frühkindlichem Autismus erlernen keine Sprache.
→ 2) Charakteristischerweise können die sprachlichen Defizite nicht durch eine nonverbale Kommunikation (Gestik, Mimik) kompensiert werden.
→ 3) Vielfach zeigen sich Neologismen, Echolalie, stereotype Wort und Satzfolgen sowie Störungen der Intonation und des Sprachrhythmus.
→ III: Interesse/Verhaltensmuster:
→ 1) Kinder mit frühkindlichem Autismus haben ein ängstlich-, zwanghaftes Bedürfnis nach Gleicherhaltung der eigenen (dinglichen) Umwelt.
→ 2) Auch manifestieren sich Störungen in der Reaktion auf Sinnesreize wie z.B. fehlende Reaktion auf Geräusche und Sprache, aber auch selektive oder totale Geräuschüberempfindlichkeit.
→ 3) Zudem existieren zahlreiche Stereotypien im Bereich der Sinne wie z.B. Schlagen der Hände auf die Ohren, Augenbohren, etc., aber auch begrenzte Spezialinteressen.
→ 4) Zumeist lehnen die Betroffenen Berührungen und Zärtlichkeiten ab; es kann aber auch ein distanzloses Verhalten bestehen (Kind setzt sich auf den Schoß einer völlig fremden Person).
→ Krankheitsverlauf: Die Kernsymptomatik des frühkindlichen Autismus weist eine deutliche Variabilität auf, persistiert jedoch bis ins Erwachsenenalter. In der Mehrzahl der Fälle verbessert sich die im weiteren Krankheitsverlauf die Symptomatik, insbesondere in den Bereichen von Kontakt- und Sozialverhalten, sodass gewisse Alltagsfertigkeiten besser bewältigt werden können.
→ Komborbiditäten: Der frühkindliche Autismus zeigt besonders oft Assoziationen mit weiteren psychischen Störungen und evtl. mit organischen Syndromen auf; hierzu zählen u.a.:
→ I: Am häufigsten mit Intelligenzminderung (65-90% der Fälle) und Epilepsie (vermehrter Beginn im frühen Erwachsenenalter).
→ II: Hyperaktivität und affektive Störungen.
→ III: Tic-Störungen und Zwangsstörungen.
→ IV: Aggressive und autoaggressive Reaktionstendenzen mit der Gefahr der richterlichen Unterbringung.
→ V: Weitere Komorbiditäten: Wie
→ 1) Störungen des Schlaf- Wachrhythmus,
→ 2) Phobien insbesondere isolierte Phobien, etc.
→ VI: Organische Syndrome wie die Neurofibromatose, Williams-Beuren-Syndrom, Angelman-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom, etc.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese, insbesondere auch die Fremdanamnese mit Exploration der Entwicklungsgeschichte und anschließender Beobachtung des Kindes in den verschiedenen Situationen. Zudem weitere kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik zur Erfassung von Komorbiditäten und Begleitstörungen. Innerhalb der Diagnose des frühkindlichen Autismus unterscheidet man klinisch noch zwischen:
→ II: Psychologische Testverfahren: Sie dienen in Form von standardisierten Interviews als diagnostische Hilfsmittel; zu ihnen zählen u.a.:
→ 1) Diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen (= ADOS).
→ 2) Diagnostische Interview für Autismus, ab dem 2. Lebensjahr, revidiert (= ADI-R).
→ 3) Fragebogen zur sozialen Kommunikation (= FSK).
→ III: Weitere Untersuchungen: Eingehende pädiatrische Untersuchung einschließlich Bildgebung, EEG, molekulargenetischer Tests, etc.
→ Differenzialdiagnose: Vom Kanner-Syndrom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Weitere tiefgreifende Entwicklungsstörungen wie z.B. das Asperger-Syndrom, Rett-Syndrom, etc.
→ II: Allgemein Störungen der Intellegenzentwicklung und Sprach-.
→ III: Selektiver Mutismus.
→ IV: Desintegrative Psychosen bei der sehr seltenen frühkindlichen Schizophrenie, aber auch elektiver Mutismus.
→ V: Seh- und Hörstörungen (sie teilen sich jedoch zumeist durch Mimik, Gestik oder Gebärden mit).
→ Therapie: Eine kausale Behandlung der autistischen Kernsymptomatik ist bis heute nicht möglich, sodass die Interventionen insbesondere auf die Verbesserung der sozialen Interaktionen zur zunehmenden Selbstständigkeit, Anpassung an die Alltagsanforderungen und mögliche komorbide Störungen abzielen.
→ I: Verhaltenstherapie:
→ 1) Hierbei spielen frühzeitiger Therapiebeginn, Psychoedukation von Bezugspersonen über die Art der Erkrankung, verhaltenstherapeutische Techniken hinsichtlich der Kernsymptome sowie die Behandlung begleitender Entwicklungsstörungen und weiterer Erkrankungen eine wesentliche Rolle.
→ 2) Im Krankheitsverlauf können die verschiedenen Behandlungssettings von ambulant auf teil- oder vollstationär in Abhängigkeit von der aktuellen Problematik wechseln.
→ 3) Auch ist die Unterstützung und Entlastung der Familie ein bedeutender Bestandteil der Therapie.
→ II: Pharmakotherapie:
→ 1) Stimulanzien bei Konzentrationsstörungen und Hyperaktivität.
→ 2) Atypische Neuroleptika zur Verringerung der Aggressivität.
→ 3) SSRI zur Reduktion der Impulsivität und Ritualisierung.
→ 4) Ggf. Stimmungsstabilisierer zum Stimmungsausgleich und evtl. zur Verminderung von Aggressivitätszuständen.
→ 5) Bei Anfallsleiden (Epilepsie) sind Antiepileptika indiziert.
→ III: Weitere Maßnahmen:
→ 1) Krankengymnastik und ergotherapeutische Maßnahmen bei motorischen Defiziten.
→ 2) Eingliederungshilfe sowie ggf. berufliche Eingliederung in spezifischen Werkstätten als rehabilitative Maßnahme.
→ Prognose:
→ I: Beim frühkindlichen Autismus sind die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten auf Dauer beeinträchtigt.
→ II: Nicht selten kommt es im Krankheitsverlauf zur Symptombesserung (jedoch sind in der Adoleszenz auch Verschlechterungen bekannt).
→ III: Langfristig leben 1/4 der Betroffenen in beschützten Institutionen und nur 1/10 können als Erwachsene selbstständig leben.
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→ Definition: Beim Asperger-Syndrom handelt es sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die durch eine Beeinträchtigung der Kommunikations- und sozialen Interaktionsvermögens charakterisiert ist. Zumeist besteht eine fixierte Einhaltung rigider Rituale sowie gelegentlich eine Hochbegabung.
→ Epidemiologie:
→ I: Das Asperger-Syndrom stellt mit einer geschätzten Prävalenz von 0,5-1,1% eine sehr selten Erkrankung dar (es existieren nur wenige epidemiologische Studien).
→ II: Das männliche Geschlecht ist deutlich häufiger betroffen als das weibliche (Jungen/Mädchen 8 : 1).
→ Ätiopathogenese:
→ I: Die genaue Genese des Asperger-Syndroms ist bis heute noch nicht genau geklärt, jedoch wird den genetischen Faktoren eine große Bedeutung zugewiesen.
→ II: Zudem existieren Hinweise auf Funktionsstörungen im Bereich des Frontal- und Temporallappens (im Vergleich zum Gesunden; sie auch tiefgreifende Entwicklungsstörungen allgemein).
→ Klinik:
→ I: Beim Asperger besteht ähnlich wie beim frühkindlichen Autismus eine qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktionen (einschließlich der nonverbalen Kommunikation, Vermdeidung von Blickkontakt und Berührungen, etc.), ein stereotypes Verhaltensrepertoire sowie eine eingeschränkte Interessenbildung.
→ II: Jedoch ist die intellektuelle Leistungsfähigkeit unauffällig und es besteht keine Entwicklungsverzögerung der Sprache (z.T. früher Spracherwerb). Zudem klingt die Sprache häufig elaboriert, gestelzt, ist zumeist situationsinadäquat und weist eine auffallend monotone Sprachmelodie auf.
→ III: Eine weiteres Charakteristikum ist die motorische Ungeschicklichkeit mit motorischen Stereotypien und situationsunangemessenen Bewegungsmustern, die die Betroffenen als unbeholfen und ungeschickt erscheinen lassen.
→ IV: Es existieren eine Reihe von ritualisierten Phänomenen sowie entsprechende Veränderungsängste.
→ IV: Weitere Symptome: Sind u.a.:
→ 1) Spezial- und Sonderinteressen, die einseitig insbesondere auf technisches und lexikales Wissen ausgerichtet sind.
→ 2) In 15% der Fälle entwickelt sich sogar eine außergewöhnliche Begabung insbesondere in den Bereichen des Gedächtnisses, der Wahrnehmung oder der Mathematik.
→ 3) Des Weiteren besteht ein Mangel an Einfühlungsvermögen, Schwierigkeiten in der Perspektivübernahme sowie Empathiedefizite.
→ 4) Auch das Spielverhalten der betroffenen Kinder ist wenig kreativ und zeigt nur ein geringes (bis fehlendes) differenziertes Spielmuster.
→ 5) Einschränkungen und Kritik können zu massivem aggressivem Verhalten bis hin zur Deliquenz führen.
→ Klinisch-relevant: Beim Asperger-Syndrom besteht eine auffällige Diskrepanz zwischen umfangreicher intellektueller Leistungsfähigkeit und erheblichen Defiziten in den sozialen Bereichen.
→ Komorbiditäten:
→ I: Patienten mit Asperger-Syndrom weisen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Schizophrenie sowie weiterer psychotischer Störungen auf.
→ II: Auch zeigt sich eine vermehrte Assoziation mit Tic-Störungen und dem Tourette-Syndrom.
→ III: Weitere Komorbiditäten: Sind insbesondere:
→ 1) Depressive Störungen,
→ 2) Hyperaktivität,
→ 3) Angst- und Zwangsstörungen.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/Klinische Untersuchung:
→ 1) Umfangreiche Eigen- und vor allem auch Fremdanamnese unter besonderer Berücksichtigung der frühkindlichen Entwicklung sowie Verhaltensbeobachtung.
→ 2) Körperlich neurologische Untersuchung u.a. zum Ausschluss assoziierter somantischer Syndrome und möglicher Beeinträchtigungen von Sinnesorganen (einschließlich augenärztlicher und ohrenärztlicher Untersuchung).
→ II: Weitere Diagnostik wie Bildgebung und EEG.
→ III: Zusätzliche spezifische testpsychologische Screeningverfahren wie z.B.:
→ 1) Marburger-Beurteilungs-Skala zum Asperger-Syndrom oder
→ 2) Diagnostische Beurteilungsskala für autistische Störungen, etc.
→ Differenzialdiagnose: Von dem Asperger-Syndrom müssen insbesondere nachfolgende psychische Erkrankungen abgegrenzt werden; hierzu zählen u.a.:
→ I: Weitere tiefgreifende Entwicklungsstörungen, vor allem der frühkindliche Autismus, aber auch das Rett-Syndrom.
→ II: Die Persönlichkeitsstörungen, vornehmlich die schizoide – und zwanghafte PS.
→ III: Weitere Differenzialdiagnosen: sind u.a. die:
→ 1) Zwangsstörung,
→ 2) Selektiver Mutismus und nicht zuletzt
→ 3) Schizophrenia simplex, etc.
→ Therapie: Eine kausale Behandlung der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen existiert nicht, vielmehr handelt es sich um eine multimodale Therapie, die die Selbstständigkeitsentfaltung, soziale Integration sowie die schulische und berufliche Entwicklung verbessern. Zu den Interventionen zählen insbesondere:
→ I: Frühförderung: Sie zielt zum einen darauf ab, die normale Kindesentwicklung zu fördern sowie gestörte Verläufe zu korrigieren, zum anderen versucht sie, exzessive Erlebensweisen und Verhaltensmuster wie z.B. pathologische Ängste und selbstverletzendes Verhalten abzubauen. Zudem sollen defizitäre Eigenschaften, vor allem die Bereiche Sprache und Motorik betreffend, verbessert werden. Weitere Ziele sind:
→ 1) Abbau von Stereotypien,
→ 2) Ausbildung der allgemeinen (verbal/nonverbalen) Kommunikation und Sprache sowie Förderung der Beziehungsfähigkeit.
→ 3) Therapie von Begleitsymptomen wie motorische Unruhe, auto- und fremdaggressives Verhalten, Enkopresis (= rezidivierendes, (un-)-freiwilliges Einkoten nach dem 4. Lebensjahr), Kotessen, Schlafstörungen etc.
→ 4) Therapie von Komorbiditäten wie die Epilepsie.
→ Klinisch-relevant: Wichtig hierbei ist die frühzeitige Unterstützung der Familie, die vor allem auch durch Psychoedukation wie umfangreiche Informationen über die Erkrankung, Selbsthilfegruppen, sozialrechtliche Hilfsangebote etc. erreicht wird.
→ II: Verhaltenstherapie: Hierbei haben sich in der Behandlung von autistischen Kindern zwei Methoden etabliert. Zum einen die frühe intensive globale Verhaltenstherapie (= Applied-Behavior-Analysis = ABA) und zum anderen das sogenannte TEACCH-Programm (= Treatment and education of autistic and related communication handicapped children). Beide Therapieansätze haben das Ziel, die soziale Interaktion, Kommunikationsfähigkeit und die Selbstständigkeit zu fördern und Zwänge, Rituale, Auto- sowie Fremdaggression, aber auch Isolation zu reduzieren, um eine lebenspraktische Fertigkeit im Zusammenleben mit Gleichaltrigen zu erreichen. Im Erwachsenenalter konzentriert sich die Behandlung vor allem auf das Training sozialer Kompetenz.
→ 1) ABA: Ist eine besonders intensive Verhaltenstherapie mit hochfrequenten Therapieeinheiten (40h/Woche). Wichtig ist hierbei die enge Einbeziehung der Familienangehörigen.
→ 2) TEACCH: Es wird davon ausgegangen, dass die Umwelt an das autistische Kind angepasst werden sollte, damit sich der Betroffene besser orientieren kann und neue Verhaltensweisen besser erlernt und eingeübt werden können.
→ III: Pharmakotherapie: Die Pharmakotherapie dient vor allem der Reduktion komorbider Störungen wie z.B. begleitende Depression oder Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis, um die verhaltenstherapeutischen Interventionen in den Bereichen soziale Integration, kommunikative Interaktionen und Stereotypien positiv zu beeinflussen bzw. negative Störfaktoren wir massive Erregungszustände bei sich verändernden Lebensumstände zu reduzieren.
→ 1) SSRI: (= Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) Sie reduzieren erfolgreich repetitives und aggressives Verhalten. Unter Fluvoxamin zeigt sich eine deutliche Verbesserung der Sprache und sozialen Interaktionsfähigkeit.
→ 2) Atypische Neuroleptika: (= Antipsychotika der 2. Generation) Können zur Behandlung von hyperkinetischem oder aggressivem Verhalten und bei Stereotypien eingesetzt werden. In verschiedenen Studien zeigte Risperidon eine positive Wirkung auf verschiedene Symptome wie Stereotypien, aggressives Verhalten und Minderung der Hyperaktivität.
→ 3) Zur Steigerung der Aufmerksamkeit und Reduktion der Impulsivität können Stimulanzien versucht werden.
→ 4) Antikonvulsiva: Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Valproat etc. sind insbesondere in der Behandlung einer komorbiden Epilepsie indiziert. Diese Pharmaka weisen häufig zusätzlich eine Verbesserung der Aggressivität und zugleich der Kommunikationsfähigkeit auf. Zudem zeigt sich eine Reduktion affektiver Symptome und bewirkt somit eine Stimmungsstabilisierung.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Bei jeglicher medikamentösen Behandlung der autistischen Symptomatik handelt es sich letztlich um eine Off-Lable-Anwendung.
→ B) Es zeigt sich, dass Patienten mit Autismus besonders empfindlich auf die pharmakologische Behandlung reagieren und hierdurch die Nebenwirkungsrate sehr hoch ist.
→ Prognose:
→ I: Im Vorschulalter fallen die Betroffenen schon durch ihre sozialen Besonderheiten und motorischen Ungeschicklichkeiten auf; im Schulalter werden jene sehr spezifischen Sonderinteressen noch deutlicher sichtbar.
→ II: Die Prognose hängt insbesondere von der Schwere der Symptomatik ab und kann in Einzelfällen mit dem Älterwerden abnehmen.
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→ Definition: Unter tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (= autistisches Syndrom) versteht man Störungsbilder, die mit einer Beeinträchtigung der sozialen Interaktion, Kommunikation, Interessenbildung sowie stereotypen Verhaltensmustern einhergehen. Sie werden klinisch als Autismus-Spektrum-Störungen bezeichnet und umfassen insbesondere:
→ I: Frühkindlicher Autismus (= Kanner-Syndrom),
→ II: Asperger-Syndrom,
→ III: Atypischer Autismus und
→ IV: Das Rett-Syndrom.
→ Epidemiologie:
→ I: Nach aktuellen Untersuchungen liegt die Prävalenz der Autismus-Spektrum-Störung in der Allgemeinbevölkerung bei ca. 1%, wobei Jungen 2-3mal häufiger betroffen sind als Mädchen.
→ II: Die Geschlechterverteilung unterscheidet sich bei den einzelnen Störungen deutlich:
→ 1) Frühkindlicher Autismus: 3 : 1 (M/W).
→ 2) Asperger-Syndrom: 8 : 1 (M/W).
→ 3) Atypischer Autismus: 3 : 1 (M/W).
→ 4) Das Rett-Syndrom manifestiert sich deutlich seltener als der frühkindliche Autismus und betrifft fast ausschließlich nur Mädchen.
→ Ätiopathogenese: Die Genese der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen ist bis heute noch nicht genau geklärt; man geht jedoch von einem multifaktoriellen Geschehen aus, bei dem insbesondere genetische – und neurobiologische Faktoren eine wichtige Rolle spielen:
→ I: Genetische Faktoren: Eine genetische Veranlagung zeigen Familien- und Zwillingsstudien, bei denen eineiige Zwillinge eine Konkordanzrate bis zu 90% und zweieiige Zwillinge von bis zu 25% aufweisen.
→ II: Neuroanatomische Faktoren: Es zeigen sich zahlreiche hirnmorphologische Abweichungen bei Patienten mit tiefgreifenden Entwicklungsstörungen; hierzu zählen u.a.
→ 1) Allgemein vergrößertes Hirnvolumen während der Entwicklung.
→ 2) Gestörte Hirnentwicklung im Bereich des Frontal- und Temporallappens mit Anomalien der weißen Substanz im Bereich des medialen und dorsalen präfrontalen Kortex, des Gyrus temporalis superior sowie des Corpus callosum; aber auch die Dichte der grauen Substanz scheint in diesen Arealen erhöht zu sein.
→ 3) Des Weiteren lassen sich in der Bildgebung bei Patienten mit autistischem Syndrom eine geringere Konnektivität zwischen einzelnen Hirnregionen nachweisen.
→ III: Neurobiologische Faktoren: Ein weiterer Ansatz ist die Dysfunktion neurotropher Faktoren in Verbindung mit Veränderungen freier Radikaler. Zudem zeigen sich Störungen in den unterschiedlichen Neurotransmittersystemen, insbesondere im serotonergen und dopaminergen System.
→ IV: Weitere Risikofaktoren:
→ 1) Insbesondere Infektionskrankheiten wie Virusinfektionen (z.B. Rötelinfektion), aber auch schwere bakterielle - während der Schwangerschaft,
→ 2) Frühgeburtlichkeit,
→ 3) Mütterlicher Diabetes mellitus, sowie
→ 4) Die Einnahme von bestimmten Medikamenten während der Schwangerschaft (z.B. SSRI, Valproat, etc.) erhöhten das Risiko für die Entwicklung einer Autismus-Spektrum-Störung deutlich.
→ Klinik: Im Vordergrund der klinischen Symptomatik steht die Beeinträchtigung sozialer Fähigkeiten mit:
→ I: Vernachlässigung sozioemotionaler Signale, die für die zwischenmenschlichen Interaktionen von besonderer Bedeutung sind.
→ II: Das gedankliche Einfühlen (= Theory of mind) in andere Menschen fällt schwer. Dies führt vor allem im Kombination mit ausgeprägtem Konkretismus zu Schwierigkeiten im Verstehen von Absichten, Witz und nicht zuletzt von Ironie.
→ III: Auch die eingeschränkte Kommunikation lässt zumeist altersentsprechende Beziehungen nicht zu.
→ IV: Weitere Symptome: Sind u.a.:
→ 1) Stereotype und repetitive Verhaltensweisen sowie Rituale, die bei Nicht-Einhalten zur panischen Veränderungsangst führt.
→ 2) Beharren auf spezifische Gewohnheiten und ritualisierte Handlungen.
→ 3) Des Weiteren manifestieren sich Störungen im Schlaf-Wach-Rhythmus (Schlafstörungen), Essstörungen, evtl. selbstverletzendes oder fremdaggressives Verhalten sowie Hyperaktivität.
→ Komorbiditäten: Die Autismus-Spektrum-Störungen sind nicht selten mit weiteren neuropsychiatrischen Störungen vergesellschaftet; hierzu zählen insbesondere:
→ I: Tic-Störungen,
→ II: ADHS,
→ III: Erhöhte Ängstlichkeit bis hin zu spezifischen Phobien.
→ IV: Besonders Patienten mit Asperger-Syndrom weisen ein erhöhtes Risiko für psychotische Störungen und die Schizophrenie auf.
→ V: Weitere Komorbiditäten sind Zwangsstörungen, Schlafstörungen, sowie selbstverletzendes oder fremd- Verhalten.
→ VI: Weitere Erkrankungen: Es wurde eine Vielzahl von somatischen Erkrankungen identifiziert, die mit den Autismus-Sepektrum-Störungen einhergehen:
→ 1) Neurofibromatose,
→ 2) Tuberöse Sklerose,
→ 3) Fragiles X-Syndrom,
→ 4) Stoffwechselstörungen, insbesondere die Phenylketonurie und
→ 5) Vor allem beim frühkindlichen Autismus manifestiert sich in 25% der Fälle eine Epilepsie.
→ Diagnose: Bei der Diagnose der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen spielen vor allem nachfolgende Untersuchungstechniken eine bedeutende Rolle:
→ I: Detaillierte Anamneseerhebung mit Befragung der Bezugspersonen sowie die klinische Verhaltensbeobachtung des Kindes in verschiedenen Situationen.
→ II: Tespsychologische Verfahren: Hierzu zählen u.a.:
→ 1) Diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen,
→ 2) Revidiertes -Autismus-Diagnostisches-Interview und die
→ 3) Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom.
→ 4) Zudem erfolgt eine umfassende Entwicklungs- und Intelligenzdiagnostik mit entsprechenden Testverfahren.
→ III: Auch bildgebende Verfahren, eine neurologische Untersuchung mit Seh- und Hörprüfung und nicht zuletzt eine EEG-Untersuchung (mit erhöhter zerebraler Erregungsbereitschaft) gehören zur Standarddiagnostik.
→ Differenzialdiagnose: Von den Autismus-Spektrum Störungen müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Intelligenzminderung mit emotionaler Verhaltensstörung (ohne Autismus).
→ II: Tic-Störungen und Tourette-Syndrom,
→ III: Depressive Störungen,
→ IV: Psychotische Störungen, schizoide Persönlichkeitsstörung und Schizophrenie,
→ V: ADHS,
→ VI: Mutismus bzw. selektiver Mutismus.
→ VII: Reaktive Bindungsstörungen, etc.
→ Therapie: Wichtig für die Prognose ist die frühzeitige Diagnosestellung sowie die umfangreiche Förderung. Behandlungsziele sind die Reduktion der Symptomatik sowie der Auf- und Ausbau von Fertigkeiten, die es dem Patienten ermöglichen, ein möglichst eigenständige Leben zu führen. Hierbei hat sich ein multimodales Behandlungskonzept etabliert, das nachfolgende Ansätze beinhaltet:
→ I: Verhaltenstherapeutische Interventionen,
→ II: Pädagogische Maßnahmen und Frühförderung,
→ III: Medikamentöse Therapie sowie
→ IV: Körperbezogene und kreative Verfahren.
→ Prognose:
→ I: Zumeist lässt die Schwere der Symptomatik bis zur Pubertät nach und ändert sich z.T im Erwachsenenalter, jedoch bleiben die Kernsymptome in aller Regel bestehen.
→ II: Insbesondere bei adäquater frühkindlicher Förderung können Patienten mit frühkindlichem Autismus die Sprache erlernen.
→ III: Patienten mit Asperger-Syndrom sind in der Regel deutlich besser integriert als Patienten mit frühkindlichem Autismus.