→ Definition: Bei Chinidin handelt es sich neben Ajmalin um ein Antiarrhythmika der Klasse Iund wird insbesondere zur Rezidivprophylaxe bei persistierendem Vorhofflimmern eingesetzt. Chinidin ist ein Alkaloid, das aus der Rinde des mittelamerikanischen Chinabaumes stammt.

 

Wirkung:

→ I: Die Substanz blockiert spannungsabhängige Na+-Kanäle, indem es an offene Natrium-Kanalprotein bindet; die Wirksamkeit ist am Na+-Kanal frequenzabhängig, da der Komplex so langsam dissoziiert, dass die Wirkung kumuliert. Zudem beeinflusst Chinidin auch die K+-Leitfähigkeit und führt hierüber zu einer verzögerten Repolarisation sowie zu einer Verlängerung des Aktionspotenzialdauer (und der Refraktärzeit). Beim K+-Kanal weist Chinidin eine umgekehrte Frequenzabhängigkeit auf; d.h. mit zunehmender Herzfrequenz nimmt die Blockade des Kalium-Stroms ab.

→ II: Vasodilatatorisch: Direkte Gefäßrelaxation mit Blutdruckabfall.

→ III: Parasympatolytisch:

→ 1) Die Hemmung der schnellen spannungsabhängigen Na+-Kanäle hat keinen Einfluss auf den Sinusknoten, da hier das Aktionspotenzial calciumabhängig ist, vielmehr bewirkt der anticholingere Effekt von Chinidin eine Frequenzsteigerung.

→ 2) Im AV-Knoten induziert Chinidin eine beschleunigte Überleitung.

 

Klinisch-relevant:

→ A)Aufgrund der verkürzten Überleitung im AV-Knoten, die durch eine Herabsetzung des zentralen Vagotonus und einen vermehrten Einfluss des Sympathotonus hervorgerufen wird, besteht die Gefahr, dass ein Vorhofflattern auf den Ventrikel übertragen werden kann. Folgen sind ventrikuläre Kammertachykardien, (= paradoxer Chinidineffekt) und Synkopen. Eine Kombination mit Verapamil ist obligat.

→ B) Chinidin hemmt neben den Na+- auch die Kaliumkanäle, die wiederum zu einer Verlängerung der Aktionspotenzialdauer im Vorhof und Ventrikel führt.

 

Indikation: Chinidin wird insbesondere zur medikamentösen Kardioversion eingesetzt:

→ I: Supraventrikuläre (und ventrikuläre Tachykardien) sowie SVES.

→ II: Rezidivprophylaxe bei persistierendem Vorhofflimmern nach erfolgreicher Kardioversion (ggf. in Kombination mit Verapamil).

→ III: Rezidivprophylaxe bei paroxysmalem, symptomatischem Vorhofflimmern.

088 Wichtige pharmakologische Aspekte in der Behandlung mit Chinidin

 

→ Klinisch-relevant: Die Dauertherapie mit Chinidin vermindert zwar die Inzidenz des Vorhofflimmerns, steigert jedoch die Letalität, sodass es im Einsatz der Rezidivprophylaxe obsolet ist. 

 

Pharmakokinetik: Nach enteraler Resorption (80%) tritt die Chinidinwirkung nach ca. 15min ein und erreicht ihr Maximum nach 1-3 Stunden. Die HWZ beträgt 5-7 Stunden, anschießend wird der Großteil des Chinidins (75%) durch Hydroxylierung hepatisch metabolisiert und der Rest (10-30%) unverändert renal eliminiert. Der therapeutische Plasmaspiegel liegt bei 3-6µg/ml. Die Substitution erfolgt ausschließlich oral, da die intravenöse Applikation erhebliche Nebenwirkungen (u.a. massiver Blutdruckabfall) aufweist.

 

Nebenwirkungen: Sie entwickeln sich aufgrund der antimuskarinischen Eigenschaften des Chinidin und sind u.a.:

→ I: Kardial:

→ 1) Erregungsleitungsstörungen wie Schenkelblock (u.a. Links- und Rechtsschenkelblock) und AV-Block (EKG-Befund: AV-Block) aber auch Gefahr der Entwicklung einer Herzinsuffizienz (aufgrund des negativ-inotropen Effektes).

→ 2) Blutdruckabfall.

→ 3) Chinidin kann eine Kammertachykardie bis hin zu einer Torsades-de-pointes-Tachykardie (EKG-Befund: Torsades-de-Pointes-Tachykardie) hervorrufen; dies wird als "paradoxer Chinidin-Effekt" bezeichnet.

→ 4) Zudem wirkt es proarrhythmisch.

 

→ Klinisch-relevant: Chinidin weist einen ausgeprägten anticholinergen Effekt auf, der wiederum der antiarrhythmischen Komponente entgegenwirkt und zu einer Steigerung der Herzfrequenz mit konsekutiver Beschleunigung der AV-Überleitung führt. Dies wird als paradoxe Chinidinwirkung bezeichnet.

 

II: Extrakardial:

→ 1) Anticholinerg: Mit Mundtrockenheit, verminderter Schweißbildung, Akkommodationsstörungen, Miktionsstörungen und gastrointestinalen Beschwerden (insbesondere Obstipation), etc.

→ 2) Neurotoxisch: Mit Lichtscheue, Farbsehstörungen, evtl. Nystagmus und Tinnitus.

→ 3) Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen und Diarrhoe.

4) Allergisch: Allergische Hautreaktionen (z.B. allergisches Erythem), selten entwickelt sich eine Knochenmarksdepression mit Thrombozytopenie (z.B. idiopathische thrombozytopenische Purpura, etc.), Agranulozytose und hämolytische Anämie. Eine initiale Testdosis dient der Vermeidung einer anaphylaktischen Reaktion.

→ 5) Cinchonismus: Hierbei handelt es sich um eine dosisabhängige Symptomatik mit Sehstörungen, Tinnitus bis hin zum Hörverlust, Erregung und Delir, aber auch Atem- und Kreislaufdepression können sich manifestieren.

 

→ Kontraindikationen: Hierzu zählen u.a.:

→ I: Herzinsuffizienz und Myokardinfarkt.

→ II: Herzrhythmusstörungen wie das Sick-Sinus-Syndrom, AV-Block Grad II/III und eine QT-Verlängerung (um mehr als 30% des Ausgangswertes).

→ III: Digitoxinintoxikation.

→ IV: Chinidin darf nicht mit anderen kardiodepressiven Medikamenten (z.B. Beta-Blockern, Parasympathomimetika, etc.) kombiniert werden.

 

→ Wechselwirkungen:

→ I: Chinidin hemmt den Abbau von oralen Antikoagulanzien (z.B. Macumar), tri- und tetrazyklischen Antidepressiva sowie Neuroleptika.

→ II: Zusätzlich verringert es die renale Clearance von Digoxin. Eine Dosisreduktion und Bestimmung des Plasmaspiegels ist diesbezüglich obligat.

→ III: Die Kalziumantagonisten, Verapamil, Diltiazem und Nifedipin sowie die Makrolide, etc. hemmen den Chinidinabbau.

→ IV: Barbiturate, Carbamazepin, Phenytoin, etc. beschleunigen durch Enzyminduktion den Abbau von Chinidin.