→ Definition: Die pulmonale Hypertonie ist definiert als eine Erhöhung des pulmonalarteriellen Mitteldrucks in Ruhe > 20-25mmHg und unter Belastung > 30mmHg.
→ Epidemiologie:
→ I: Insbesondere tritt die idiopathische Form mit einer Inzidenz von 1-2/1Million/Jahr sehr selten auf. Hier sind Frauen 2x häufiger als Männer betroffen.
→ II: Der Manifestationsgipfel der idiopathischen bzw. familiären PH liegt zwischen dem 20.-40. Lebensjahr.
→ Ätiologie:
→ I: Die pulmonale Hypertonie ist eine seltene Erkrankung und unterliegt im Hinblick auf ihre Entstehung einer großen Heterogenität.
→ II: Nach WHO wird sie klassifiziert in:
→ 1) Pulmonalarterielle Hypertonie:
→ A) Idiopathisch (IPAH),
→ B) Familiär (in 50% der Fälle),
→ C) Pulmonal-arterielle Hypertonie assoziiert mit Vaskulitiden/Kollagenosen, kongenitalen Herzerkrankungen, portaler Hypertension, HIV-Infektion, Medikamenten/Drogen (z.B. Appetitzügler, Amphetamine, Kokain) und weiteren Faktoren (chronisch-hämolytische Anämie, Bilharziose etc.).
→ 2) Pulmonale Hypertonie bei Linksherzinsuffizienz: Erkrankungen des linken Vorhofs und der linken Kammer, sowie Mitral- (z.B. Mitralklappeninsuffizienz, Mitralklappenstenose) und Aortenklappenerkrankungen (z.B. Aortenklappenstenose, Aortenklappeninsuffizienz).
→ 3) Pulmonale Hypertonie bei Lungenerkrankungen/Hypoxie: Wie z.B.:
→ A) Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (Asthma bronchiale, COPD, Lungenemphysem), aber auch Mukoviszidose.
→ B) Interstitielle Lungenerkrankungen,
→ C) Schlaf-Apnoe-Syndrom und
→ D) Dauerhafte Höhenexposition.
→ 4) PH bei chronisch thromboembolischen Erkrankungen: (manifestiert sich in 4% der Lungenembolie);
→ A) Typ 1: Thrombus im Hauptstamm,
→ B) Typ 2: Thrombus in einer Lappenarterie;
→ C) Typ 3: Thrombus in einer distalen Arterie.
→ 5) PH bei seltenen Erkrankungen: Sarkoidose, Status epilepticus, Histiozytose, Kompression von außen infolge einer Tumor-Obstruktion, myeloproliferative Erkrankungen, Splenektomie, Morbus Gaucher, Schilddrüsenerkrankungen, fibrosierende Mediastinitis.
→ Pathogenese: Nachfolgende 3 Faktoren fördern die Entwicklung eines erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstandes:
→ I: Vasokonstriktion,
→ II: Thrombenbildung und
→ III: Remodeling: Es manifestieren sich vermehrte Umbauvorgänge mit Endothelproliferation, Intimafibrosierung und Obliteration.
→ IV: Folgen sind u.a.:
→ 1) Zunahme des pulmonal-arteriellen Drucks aufgrund einer Widerstandserhöhung der pulmonalen Gefäße.
→ 2) Im weiteren Krankheitsverlauf steigt die Nachlast des rechten Ventrikels mit Entwicklung einer rechtsventrikulären Hypertrophie und/oder Dilatation und konsekutivem Cor pulmonale (evtl. relative Trikuspidalinsuffizienz).
→ Klinisch-relevant: Typischerweise besteht ein Ungleichgewicht zwischen protektiven (NO-System, Prostazyklin) und aggressiven Faktoren (Endothelin, Thromboxan) zugunsten der Aggressoren, die die Entwicklung der pulmonalen Hypertonie unterstützen.
→ Klinik:
→ I: Meist primär nur uncharakteristische diskrete Symptome; im weiteren Krankheitsverlauf zunehmend mit:
→ 1) Zunehmende Leistungsminderung, rasche Ermüdbarkeit, Belastungsdyspnoe.
→ 2) Schwindel und Synkopen,
→ 3) Ruhetachykardie und weitere Herzarrhythmien.
→ Klinisch-relevant: Die Symptomtrias bestehend aus Dyspnoe bei normalen Thorax-Röntgenbild, normaler BGA (Abb.: Normwerte der BGA) und fast normaler Lungenfunktion lässt an eine pulmonale Hypertonie denken.
→ II: Rechtsventrikuläre Dekompensation: Sind u.a.:
→ 1) Halsvenenstauung
→ 2) Vergrößerte druckschmerzhafte Leber,
→ 3) Beinödeme sowie
→ 4) Pleuraerguss und Aszites.
→ Klassifikation: Die pulmonale Hypertonie wird bezüglich ihres Schweregrades nach der WHO in 4 Funktionsklassen unterteilt:
→ I: Stadium 1: Asymptomatische PH. Beim Patienten bestehen keine Einschränkungen bei körperlicher Aktivität.
→ II: Stadium 2: Der Patient ist in Ruhe beschwerdefrei; bei verstärkter körperlicher Aktivität entwickeln sich jedoch klinsiche Zeichen wie Dyspnoe, Leistungsminderung und evtl. Synkopen.
→ III: Stadium 3: Mittelschwere PH mit physischen Einschränkungen und Symptomen (siehe oben) bei leichter körperlicher Aktivität. In Ruhe sind die Betroffenen beschwerdefrei.
→ IV: Stadium 4: Schwere PH mit Dyspnoe und Synkopen in Ruhe. Es besteht eine manifeste Rechtsherzinsuffizienz mit der Gefahr des Rechtsherzversagens.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:
→ 1) Auskultatorisch fixierte (atemunabhängige) Spaltung des 2. HT.
→ 2) Bei rechtsventrikulärer Dilatation sind ggf. 2 Geräuschphänomene nachweisbar:
→ A) Graham-Steell-Geräusch: Diastolisches Geräusch als Zeichen einer relativen Pulmonalklappeninsuffizienz.
→ B) Systolisches Geräusch als Zeichen einer Trikuspidalklappeninsuffizienz.
→ II: EKG: Zeichen einer Rechtsherzbelastung.
→ 1) Rechtsherzbelastung: Steil- bis Rechtstyp, evtl. SI/QIII bzw. SI/SII/SIII-Typ; Sokolow-Index RV1+SV5/6 > 1,05mV, P-pulmonale (= P-dextroatriale) mit P > 0,25mV in der Extremitätenableitung II (nach Einthoven), Tachykardie, Rechtsschenkelblock (EKG-Befund: Schenkelblock allgemein), sowie rechtsventrikuläre Repolarisationsstörungen mit T-Negativierung in den (rechtsventrikulären) Ableitungen V1-V3.
→ 2) Weitere Herzrhytmusstörungen.
→ III: Röntgen-Thorax:
→ 1) Prominenter Pulmonalisbogen,
→ 2) Erweiterte hilusnahe Lungenarterien bei gleichzeitig engen - in der Peripherie (= Kalibersprung).
→ 3) Helle periphere Lungenabschnitte infolge verminderter Gefäßzeichnung.
→ 4) Verbreiterung des Herzsilhouette,
→ 5) In der Seitenaufnahme Abnahme des Retrosternalraumes aufgrund eines vergößerten rechten Ventrikels.
→ IV: Echokardiographie:
→ 1) Nachweis einer rechtsventrikulären Hypertrophie/Dilatation.
→ 2) Vergrößerter Pulmonalklappenregurgitationsjet.
→ 3) Beurteilung des systolischen pulmonal-arteriellen Drucks:
→ A) PH unwahrscheinlich: Wenn die Blutflussgeschwindigkeit über der Trikuspidalklappe < 2,8m/sec, der systolische pulmonal-arterielle Druck < 36mmHg und keine weiteren Kriterien für den Verdacht einer PH bestehen.
→ B) PH wahrscheinlich: Wenn die Blutflussgeschwindigkeit über der Trikuspidalklappe > 3,4m/sec und der systolische PAP > 50mmHg.
→ V: Spiroergometrie: Ist die Diagnose der pulmonalen Hypertonie erhärtet erfolgt die Spiroergometrie zur Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit (Erfassung folgender Kriterien z.B. maximale Sauerstoffaufnahme, Kohlendioxidabgabe, alveoloarterielle Sauerstoffdifferenz) bzw. ein 6-Minuten-Gehtest mit anschließender Blutgasanalyse zeigt einen erniedrigten PO2-Wert (Normwerte der BGA).
→ VI: Angio-CT/Pulmonalis-Angiographie: Zum Ausschluss möglicher Lungenembolien.
→ VII: Rechtsherzkatheter: Zur Bestätigung der Diagnose und exakten Beurteilung des Schweregrades. Zusätzlich kann eine therapeutische Medikamenten (-Test-) Applikation (z.B. mit Epoprostenol, Adenosin i.v.) erfolgen.
→ Therapie:
→ I: Allgemeinmaßnahmen:
→ 1) Pneumonie-Prophylaxe mittels Influenza- und Pneumokokken-Impfung.
→ 2) Vermeiden von körperlicher Überbelastung.
→ II: Basistherapie:
→ 1) Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung.
→ 2) Bei rezidivierenden Lungenembolien bzw. erhöhter Gefahr ist eine lebenslange antikoagulatorische Therapie mittels Macrumar einzuleiten.
→ 3) Eine persistierende Hypoxämie wird mittels O2-Langzeittherapie therapiert.
→ 4) Herzinsuffizienz: Die Behandlung der Herzinsuffizienz wird mittels körperlicher Schonung und Diuretika eingeleitet; besteht eine Linksherzinsuffizienz erfolgt die zusätzliche Gabe eines ACE-Hemmers (AT-II-Hemmers); Herzglykoside sind ausschließlich bei begleitender Linksherzinsuffizienz bzw. Vorhofflimmern zu erwägen.
→ Klinisch-relevant: Herzglykoside haben bei Hypoxämie eine geringe Toleranz.
→ III: Medikamentöse Therapie: Zur pulmonalen Drucksenkung sind folgende Substanzen zugelassen:
→ 1) Kalziumantagonisten: Bei ca. 10-20% der Patienten kann die hochdosierte Gabe eines Kalziumantagonisten den mittleren pulmonal-arteriellen Druck senken. Voraussetzung ist der Wirksamkeitsnachweis der Substanz mittels Rechtsherzkatheter. Die Dosierung beträgt bei Nifedipin 40-60mg/d und bei Diltiazem 180-270mg/d.
→ 2) Prostaglandin-Analoga: Haben eine vasodilatatorische Wirkung. Hierzu zählen insbesondere:
→ A) Iloprost: Inhalativ und i.v. anwendbar. Geringe Nebenwirkungen, evtl. Kopfschmerzen, Übelkeit, Flush.
→ B) Treprostinil: Inhalativ und i.v. applizierbar.
→ 3) Endothelin-Antagonisten: Hemmen die vasokonstriktive Wirkung des Endothelins und entfalten hierüber ihre vasodilatatorische Wirkung. Bosentan und Ambrisentan werden oral eingenommen und weisen eine gute vasodilatatorische Wirkung auf. Nebenwirkungen sind u.a.:
→ A) Müdigkeit, Kopfschmerzen;
→ B) Flush und Blutdruckabfall;
→ C) Magendruck und Dyspepsie, sowie
→ D) Leberfunktionsstörungen.
→ 4) Phosphordiesterase-5-Hemmer: (= PDE-5-Hemmstoffe) Diese Substanzengruppe verlängert die vasodilatatorische Wirkung des endogenen NO-Systems. Charakteristische Nebenwirkungen der Präparate sind Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Flush, Dyspepsie und Diarrhoe. Zu den Kontraindikationen zählen u.a. Hypotonie, schwere Leberinsuffizienz und die gleichzeitige Therapie mit Nitraten oder Molsidomin. Zu den PDE-5-Inhibitoren gehören:
→ A) Sildenafil: Mittlere Tagesdosis 3x 20mg/d
→ B) Tadalafil: Mittlere Tagesdosis 40mg/d.
→ IV: Weitere Therapiemaßnahmen:
→ 1) Bei Versagen der medikamentösen Behandlung ist eine atriale Ballonseptostomie möglich. Hierbei wird durch die Eröffnung des Vorhofseptums ein rechts-links-Shunt erzeugt, um:
→ A) Den rechten Ventrikel zu entlasten und
→ B) Die Auswurfleistung des linken Ventrikels zu steigern (jedoch mit verminderter O2-Sättigung). Das Verfahren weist eine hohe Letalität auf und dient nur als Überbrückungsmaßnahme.
→ 2) Langfristig ist jedoch die ultima ratio eine bilaterale Lungentransplantation.
→ Prognose: Die Prognose ist sehr stark von den nachfolgenden Kriterien abgängig:
→ I: Der Funktionsklasse nach WHO (im Stadium 4 liegt die 3-Jahresüberlebenschance unter 40% der Fälle),
→ II: Dem mittleren pulmonal-arteriellen Druck:
→ 1) Bei einem PAP > 30mmHg liegt die 5-Jahresüberlebenschance bei 30%.
→ 2) Bei einem PAP > 50mmHg nur noch bei 10%.
→ III: Kompensationsvermögen des rechten Herzens. Eine Dekompensation verschlechtert die Prognose deutlich und der Tod erfolgt meist infolge von schweren Herzrhythmusstörungen.