Definition:  Bei der somatogenen/symptomatischen Depression handelt es sich um ein depressives Krankheitsbild, das sich sekundär infolge einer somatischen Grunderkrankung entwickelt und zu einer reversiblen Störung der Hirnfunktion führt. Eine Sonderform stellt die organische Depression dar, die auf eine primäre Veränderung des zentralen Nervensystems (z.B. infolge von Hirntumoren, Schädel-Hirn-Trauma, Hirnarteriosklerose, etc.) zurückzuführen ist.

Epidemiologie: Infolge der vielfältigen Ursachen für eine somatogene Depression bestehen keine einheitlichen Daten. Einige Prävalenz-Beispiele für einzelne Erkrankungen:

705 Depressionshäufigkeit bei unterschiedlichen Erkrankungen

 

Klassifikation: Die somatogene Depression wird nach ihrer Ätiologie nochmals unterteilt in:

→ I: Symptomatische Depression: Sie tritt bei somatischen Erkrankungen auf.

→ II: Organische Depression: Sie bezieht sich ausschließlich auf Erkrankungen des ZNS.

 

Ätiologie:

→ I: Neurologische Erkrankungen: Zerebrale Ischämie, Hirntumoren, Metastasen, Epilepsie, Demenz, Morbus Parkinson, Morbus Huntington, Multiple Sklerose, Meningitis (z.B. eitrige Meningitis, tuberkulöse -Mollaret-Meningitis, etc.), Enzephalitis, Myasthenia gravis, Restless-Legs-Syndrom, etc.

→ II: Endokrine Erkrankungen: Hyperthyreose (Morbus Basedow, Schilddrüsen-Autonomie), Hypothyreose, Morbus Addison, Morbus Cushing, Phäochromozytom, HVL-Insuffizienz, Diabetes mellitus, etc.

→ III: Kardiologisch: Arterielle Hypertonie, KHK, Z.n. Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Herzvitien etc.

→ IV: Gastrointestinal: Entzündliche Darmerkrankungen wie glutensensitive Enteropathie, Morbus Crohn, Kolitis ulzerosa, aber auch die Leberzirrhose

→ V: Kollagenose: SLE, rheumatoide Arthritis,

→ VI: Nephrologisch: Chronische Pyelonephritis, Glomerulonephritis, Niereninsuffizienz, et.

VII: Infektionskrankheiten: Lues, AIDS, Borelliose, TBC.

→ VIII: Intoxikationen: Chronische CO-Vergiftungen, Alkoholismus.

→ IX: Malignome: Pankreas-, Bronchial-, Mamma-, Ovarialkarzinom, Leukämien.

 

Klinik: Ausbildung eines depressiven Syndrom (Depression) mit Müdigkeit, Erschöpfungsgefühl, Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Interessenlosigkeit, Leeregegefühl, Schlafstörungen, Inappetenz und nicht zuletzt diffuse Körperbeschwerden sowie somatische Symptome infolge der Grunderkrankung.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese: Psychopathologischer Befund anhand der Symptomatik, evtl. Fremdanamnese.

→ II: Depressions-Inventar nach Beck: Hierbei handelt es sich um ein psychologisches Selbstbeurteilungsverfahren (mit 4 vorgegebenen Antworten), welches den Schweregrad der depressiven Symptomatik erfasst. Der Test enthält 21 Items, wie sich der Patient in den letzten 7 Tagen gefühlt hat. Das Verfahren enthält u.a. nachfolgende Aspekte:

551 Kriterien des Depressions Inventars nach A.T. Beck

→ III: Hamilton Depressions-Skala:

→ 1) Fremdbeurteilungsverfahren zur Einschätzung des Schweregrades einer diagnostizierten Depression.

→ 2) Erfasst die Intensität der Symptome durch Äußerungen des Patienten, aber auch durch Beobachtungen der Ärzte, des Pflegepersonals und der Angehörigen.

→ 3) Das Testverfahren beinhaltet u.a. nachfolgende Kriterien wie z.B. depressive Stimmung, Schuldgefühle, Suizidalität, Schlafstörungen, depressive Hemmung und Verlangsamung (z.B. Verlangsamung von Gedanken, Sprache und Bewegungen, etc).

→ 4) Auswertung:

A) 0-15P: Keine depressiven Symptome mehr vorhanden, Patient unauffällig.

→ B) 15-24P: Leichte Depression,

→ C) 24-30P: Mittelschwere Depression,

→ D) > 30P: Schwere Depression.

 

Differenzialdiagnose: Von der somatogenen Depression müssen insbesondere nachfolgende psychische Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Reaktive Depression,

II: Lavierte Depression,

→ III: Somatoforme Störungen,

→ IV: Anpassungsstörungen.

→ V: Pharmakogen induzierte Depression.

552 Beispiele für eine medikamenteninduzierte Depression

 

Therapie:

→ I: Adäqute Behandlung der Grunderkrankung, mögliches Absetzten verursachender Medikamente, aber auch Physiotherapie oder Reha.

II: Psychotherapie: Stützende supportive Therapie, Psychoedukation und Entwicklung alternativer Bewältigungsstrategien (= Coping-Strategien).

III: Medikamentös: Bei schwerer Depressivität kann ein niedrig-dosiertes Antidepressivum wie z.B. Fluoxetin 10-20mg/d bzw. Sulpirid 100-150mg/d appliziert werden.

 

  Prognose:

→ I: Bei adäquater Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung günstig.

→ II: Bei schwerwiegenden Erkrankungen und hirnorganischen Veränderungen entwickelt sich zumeist ein chronischer Krankheitsverlauf.