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→ Definition:
→ I: Bei Theophyllin handelt es sich um einen Bronchodilatator, der zur Behandlung des schweren Asthmaanfalls bzw. der COPD eingesetzt wird.
→ II: Das Präparat weist eine geringe therapeutische Breite auf, mit einem (therapeutischen) Plasmaspiegel von 8-15mg/l (28-84µmol/l).
→ III: Da die eingenommene Dosis nicht mit dem Schweregrad der Intoxikation korreliert, ist die Bestimmung des Plasmaspiegels zur Beurteilung der Vergiftung von großer Bedeutung.
→ Risikofaktoren: Prädisponierende Faktoren, die die Entwicklung einer Intoxikation begünstigen:
→ I: Organische Ursachen: Rechtsherz-, Leber- und Niereninsuffizienz, fieberhafte Infekte.
→ II: Weitere Ursachen: Vorbehandlung mit Theophyllin, höheres Lebensalter, Hemmung des Cytochrom-P-450-Systems (CYP1A2, CYP3A4) infolge Komedikation mit Makrolid-Antibiotika, Cimetidin, orale Kontrazeptiva etc.
→ Pathogenese: Das Überangebot an Theophyllin ruft einen Katecholaminexzess mit konsekutiver kardialer und zentralnervöser Hyperaktivität hervor.
→ Klinik:
→ I: Unabhängig von der Theophyllin-Plasmakonzentration manifestiert sich u.a. gehäuft:
→ 1) Hyperglykämie,
→ 2) Hyperthermie und
→ 3) Rhabdomyolyse.
→ II: Die Intoxikation wird nach dem Plasmaspiegel in 2 Schweregrade mit charakteristischen Symptomen unterteilt in:
→ 1) Leichte Intoxikation: (> 20µg/l) Mit
→ A) Vegetativen Symptomen: Unruhe, Tremor, Agitiertheit, Mydriasis, Muskelhypertonie, Hyperreflexie und vermehrte Diurese.
→ B) GIT-Symptomen: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe.
→ C) Kardialen Symptomen: Sinustachykardie, Extrasystolen.
→ 2) Schwere Intoxikation: (> 40mg/l-60µg/l) Mit
→ A) Kardialen Symptomen: Ausgeprägter RR-Abfall, supraventrikuläre Tachykardien und ventrikuläre Tachykardien bis hin zum Kammerflimmern.
→ B) ZNS-Symptomen: Benommenheit, Bewusstseinsstörungen und epileptische Krampfanfälle sowie
→ C) Weiteren Symptomen: Wie Hämatemesis, Hypokaliämie, metabolische Azidose, Tachypnoe bis hin zum Lungenödem.
→ Diagnose:
→ I: Mittel der Wahl zur Beurteilung der Intoxikation ist die notfallmäßige Bestimmung der Theophyllin-Plasmakonzentration mittels Immunoassay (Symptome entwickeln sich meist bei Konzentrationen > 20-25mg/l).
→ II: Labor: Bestimmung von CK, Myoglobin, BZ, der BGA (Abb.: Normwerte der BGA) und Elektrolyte (Kalium/Natrium).
→ Therapie:
→ I: Allgemeinmaßnahmen:
→ 1) Intensivmedizinische Überwachung der Vitalfunktionen wie Puls, RR, Atmung, BZ, Körpertemperatur und Flüssigkeitsbilanzierung.
→ 2) Bei Hypotension Volumengabe, evtl. Substitution von Elektrolyten sowie Ausgleich der metabolischen Azidose.
→ II: Medikamentös:
→ 1) Bei schweren Herzrhythmusstörungen kann ein ß-Blocker (Propranolol: 5-10mg/i.v. als Bolus, anschließend 1-5mg/kgKG/min, bei Asthmatikern Verapamil (5-10 mg i.v. als Bolus, anschließend Dauerinfusion) verabreicht werden.
→ Klinisch-relevant: Eine Kombinationstherapie aus Verapamil + Propranolol ist wegen der Gefahr von höhergradigen AV-Blockierungen (EKG-Befund: AV-Block) bzw. einer Asystolie kontraindiziert.
→ 2) Bei schweren ventrikulären Tachykardien ist die Gabe von Lidocain (Bolus 100-200 mg/i.v., anschließend 1-3mg/min i.v.) indiziert.
→ 3) Bei generalisierten Krampfanfällen werden Benzodiazepine (z.B. 5-20mg Diazepam i.v.) verabreicht, bei schweren Formen ist eine Intubationsnarkose mit z.B. Thiopental indiziert (PEEP-Beatmung).
→ 4) Die wiederholte Gabe einer Aktivkohle (30-50mg alle 2-3 Stunden) kann die Prognose günstig beeinflussen.
→ 5) Ultima ratio ist die Hämodialyse/-perfusion (bei Plasmakonzentrationen > 60mg/l).
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→ Definition: Bei der Digitalisintoxikation handelt es sich um eine Herzglykosid-Überdosierung mit konsekutiver Manifestation charakteristischer Symptome und einem deutlich erhöhten Digoxin- (0,8-2ng/ml)/Digitoxin-Serumspiegel (15-25ng/ml).
→ Klinisch-relevant: Die Herzglykoside haben eine geringe therapeutische Breite, sodass schon bei therapeutischen Serumspiegelkonzentrationen (gerade bei älteren und schlanken Patienten) Nebenwirkungen auftreten können. Der therapeutische Serumspiegel liegen bei:
→ A) Digoxin: Zwischen 0,8-2ng/ml und
→ B) Digitoxin: Zwischen 10-30ng/ml.
→ Ätiologie:
→ I: Iatrogen, suizidal, fehlende Compliance bei älteren Patienten.
→ II: Nichtbeachtung der Kontraindikationen wie z.B. bradykarde Rhythmusstörungen, Sick-Sinus-Syndrom, höhergradige SA-Blockierung, AV-Block, Hyperkalzämie, Hypomagnesiämie, Hypokaliämie, frischer Myokardinfarkt, Myokarditis etc.
→ III: Zustände mit verminderter Glykosidverträglichkeit wie höheres Lebensalter (verminderte Muskelmasse), Leberinsuffizienz bei Digitoxin und Niereninsuffizienz (verminderte glomeruläre Filtrationsrate) bei Digoxin, Lungenerkrankungen mit Hypoxämie, KHK, etc.
→ Klinik: Klinische Symptome können auch bei therapeutischen Serumspiegeln auftreten.
→ I: Leichte Intoxikation: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe (vermittelt über spezifische Chemorezeptoren in der Medulla oblongata), Kopfschmerzen, Schwindel, leichte Verwirrtheit sowie Seh- und Farbsehstörungen (Gelbsehen).
→ II: Schwere Intoxikation:
→ 1) Kardiale Rhythmusstörungen:
→ A) Durch die negativ dromotrope Wirkung der Herzglykoside Ausbildung bradykarder Rhythmusstörungen, wie Sinusbradykardie, AV-Block I.-III.Grades (EKG-Befund: AV-Block).
→ B) Durch die positiv-bathmotrope (Steigerung der Erregbarkeit) Wirkung und Zunahme ektoper Erregungsbildungen können sich tachykarde Rhythmusstörungen wie supraventrikuläre Extrasystolen (EKG-Befund: Supraventrikuläre Extrasystolen), supraventrikuläre Tachykardien, ventrikuläre Extrasystolen, ventrikulärer Bigeminus und ventrikuläre Tachykardien bis hin zum Kammerflimmern entwickeln.
→ C) Neurotoxische Störungen: Mit Zunahme der psychotischen Symptome, Ausbildung von Halluzinationen, Delir, Bewusstseinsstörungen und Koma.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Vorhoftachykardie mit AV-Block II. Grades (EKG-Befund: AV-Block) tritt häufig bei Digitalisintoxikation auf.
→ B) Komplikationen wie ventrikuläre Tachyarrhythmien, Hyperkaliämie und Azidose gelten als prognostisch ungünstige Zeichen.
→ Diagnose:
→ I: Mit Hilfe eines spezifischen Immunoassays lässt sich die Plasmakonzentration der Herzglykoside gut bestimmen.
→ II: Zuverlässige Konzentrationen lassen sich erst 6-8 Stunden nach Einnahme (Verteilungsphase des Medikaments) bestimmen.
→ III: Bei einem Serumspiegel von > 2-3ng/ml Digoxin/ > 40ng/ml Digitoxin ist mit klinischen Symptomen zu rechnen.
→ IV: EKG: Bei der Herzglykosidintoxikation lässt sich elektrokardiographisch eine charakteristische muldenförmige ST-Strecken-Senkung nachweisen. Des Weiteren sind u.a.:
→ 1) T-Wellen-Abflachung bis T-Negativierung,
→ 2) Eine PQ-Verlängerung und
→ 3) Eine verkürzte QT-Zeit nachweisbar.
→ Therapie:
→ I: Allgemeinmaßnahmen:
→ 1) Sofortiges Absetzten der Herzglykoside.
→ 2) Gabe von Aktivkohle, bei Digitoxin zusätzlich noch Colestyramin, evtl. vorherige Magenspülung.
→ 3) Anheben des Kaliumspiegels auf hochnormale Plasmakonzentrationen (4,5-5,5mmol/l) mit einer Dosierung von max. 20mmol/h intravenös.
→ Klinisch-relevant: Bei Anlage einer Magensonde besteht die Gefahr der Vagusstimulation mit konsekutiver Bradykardie/Asystolie durch Manipulation im Rachenbereich. Präventiv wird Atropin appliziert bzw. ein Schrittmacher angelegt.
→ II: Medikamentöse Therapie der Rhythmusstörungen:
→ 1) Bradykardie: Applikation von 0,5-1mg Atropin langsam i.v., bei Erfolglosigkeit ist eine temporäre Schrittmacher-Therapie indiziert.
→ 2) Tachykarde, ventrikuläre Rhythmusstörungen werden mittels Lidocain 100mg langsam i.v. (evtl. nach 15min Wiederholung) behandelt, bei Therapieresistenz Gabe von Phenytoin 125-250mg. Bei Kreislaufinstabilität sollte eine Kardioversion erfolgen.
→ 3) Kammerflimmern: Hier ist eine kardiopulmonale Reanimation bzw. eine Defibrillation indiziert.
→ III: Spezielle Maßnahmen: Bei schwerer Digitalisintoxikation wird Digitalis-Antitoxin (= Digitalis-Antidot BM) verabreicht. Hierbei handelt es sich um Digoxin-Antikörperfragmente (Fab-Fragment eines spezifischen Digitalis-IgG-Ak), die vom Schaf gewonnen werden.
→ 1) Wirkungsmechanismus: Es bindet freies Glykosid im Extrazellularraum. 80mg Antidot bindet 1mg Digoxin/Digitoxin zu einem unwirksamen AK-Glykosid-Komplex.
→ 2) Dosierung: 6x 80mg Digitalis-Antidot-BM nach vorheriger intrakutaner Allgergie-Testung
→ 3) Nebenwirkungen: Anaphylaktischer Schock.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Eine Kalziumgabe ist bei der Intoxikation mit Herzglykosiden kontraindiziert.
→ B) Innerhalb von 1-3 Stunden nach Antidot-Gabe sollte sich die kardiale Intoxikationssymptomatik bei ausreichender Dosierung zurückbilden (EKG-Erfolgskontrolle).
→ C) Evtl. Hämodialyse oder Hämoperfusion mit beschichteter Aktivkohle (wirkt nur bei Digitoxin).
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- Geschrieben von: CF
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→ Definition:
→ I: Da Benzodiazepine eine große therapeutische Breite und eine geringe Toxizität aufweisen, manifestiert sich die Benzodiazepinvergiftung meist nur als Mischintoxikationen mit weiteren psychotropen Substanzen bzw. Alkohol oder bei schwerwiegenden Vorerkrankungen wie Myasthenia gravis, schwere obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) etc.
→ II: Somit stellt eine alleinige Intoxikation mit Benzodiazepine ein sehr seltenes Krankheitsbild dar.
→ III: Ursache der Vergiftung sind wechselseitig potenzierende Wirkungseffekte, die zu einer vitalen Gefährdung führen können.
→ Ätiologie: Benzodiazepine stellen neben Nikotin und Alkohol das dritthäufigste missbräuchlich eingenommene Suchtmittel dar:
→ I: Meist im Zuge akzidentieller oder suizidaler Ereignisse.
→ II: Aber auch infolge von Mischintoxikationen (u.a. bei bestehender Benzodiazepinabhängigkeit) mit weiteren psychotropen Substanzen und Alkohol.
→ III: Selten bei älteren Patienten mit schwerer Nieren- und Leberinsuffizienz (Akumulation), bei chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen und Myasthenia gravis.
→ Pathomechanismus: Ist eine potenzierende Hemmung GABA-abhängiger Chloridkanäle im ZNS.
→ Klinik:
→ I: Neurologisch: Verwaschene Sprache, Doppelbilder, Nystagmus, Koordinationsstörungen, Ataxie, Hyporeflexie, Areflexie, kognitive Defizite, anterograde Amnesie, Bewusstseinseintrübung, Stupor, Somnolenz bis hin zum Koma.
→ II: Kardio-pulmonal: Schwindel, Tachykardie, arterielle Hypotonie und Atemdepression insbesondere bei schwerer Intoxikation.
→ III: Weitere Symptome: Kopfschmerzen, Übelkeit und herabgesetzter Muskeltonus bis zur schweren Muskelschwäche.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Insbesondere bei geriatrischen Patienten, die ein hirnorganische Vorschädigung aufweisen, besteht die Gefahr der Entwicklung einer paradoxen Reaktion mit Verwirrtheitszuständen, Halluzinationen und aggressiven bzw. autoaggressiven Verhaltensweisen; die Wahrscheinlichkeit nimmt mit der Höhe der Dosis deutlich zu.
→ B) Die (schwere) Benzodiazepin-Intoxikation ist durch das Auftreten eines klassischen Symptomtrias charakterisiert:
→ 1) Bewusstseinsstörungen,
→ 2) Erhaltene Vitalfunktionen und
→ 3) Das Fehlen neurologischer Ausfälle.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/Klinische Untersuchung: Bei bestehendem Bewusstsein sollte sowohl eine Eigenanamnese als auch Fremdanamnese zur Klärung psychiatrischer Vorerkrankungen (z.B. Depression, Suizidalität, Schizophrenie etc.) erfolgen. Des Weiteren muss auf klinische Zeichen wie verwaschene Sprache, Konzentrationsstörungen, kognitive Defizite, Koordinationsstörungen, unsicherer Gang (erhöhte Sturzgefahr), Hyporeflexie etc. geachtet werden.
→ II: Labor: Benzodiazepine können qualitativ im Urin (= toxikologisches Screening, Teststreifen) und quantitativ im Serum nachgewiesen werden.
→ III: Weitere Untersuchungen: Sind u.a. Blutdruckmessung, EKG und Sauerstoffsättigung.
→ Differenzialdiagnose: Von dieser müssen u.a. nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Alkoholintoxikation und Intoxikation durch andere psychotrope Substanzen.
→ II: Bewusstlosigkeit/ Koma: Hypoglykämie, Epilepsie, intrakranielle Blutungen, zerebrale Infarkte.
→ Therapie:
→ I: Allgemeinmaßnahmen: Im Vordergrund steht die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen:
→ 1) Zur Kreislaufstabilisierung Infusionstherapie 500-1500ml (z.B. Ringer-Lösung).
→ 2) Ausreichende Oxygenierung mit Gabe von 4-8l/min Sauerstoff, evtl. Maskenbeatmung oder Intubation.
→ 3) Induziertes Erbrechen, Magenspülung und anschließende Substitution von Aktiv-Kohle.
→ II: Medikamentöse Therapie:
→ 1) In seltenen Fällen kann die Applikation des Antidots, Flumazenil (= Anexate), indiziert sein. Es wird initial einschleichend eine Dosis von 0,2mg i.v. substituiert; bei ausbleibender Wirksamkeit wird die Gabe von 0,1mg im Abstand von 1min (bis zu einer Maximal-Dosis von 1mg (-2mg) wiederholt.
→ 2) Aufgrund der kurzen HZW von 1/2-1 Stunde kann sich im weiteren Behandlungsverlauf erneut eine Intoxikationssymptomatik manifestieren; in dieser Situation sollte eine nochmalige Flumazenil- bzw. eine Applikation von 0,3-0,4mg/h per Perfusor erfolgen.
→ Klinisch-relevant: Der Einsatz von Flumazenil steht unter enger Indikationsstellung, da es bei suchtigen Patienten zu schweren Entzugssymptomen und Krampfanfällen führen kann.
→ Wirkstoff: Flumazenil:
→ I: Allgemein:
→ 1) Bei Anexate handelt es sich um ein Benzodiazepin-Analoga, welches eine hohe Affinität zur Benzodiazepin-Bindungsstelle des GABA-A-Rezeptors aufweist.
→ 2) Hierbei hat es keine antagonistische Wirkung, sondern verdrängt vielmehr kompetitiv das Benzodiazepin vom Rezeptor.
→ II: Indikation:
→ 1) Aufhebung der Benzodiazepinwirkung in der Anästhesie,
→ 2) Behandlung der Benzodiazepinüberdosierung und -intoxikation.
→ III: Nebenwirkungen: Auftreten von innerer Unruhe, Angstzuständen bis hin zu schweren Entzugserscheinungen und Krampfanfällen.
→ IV: Kontraindikation: Sind vor allem die Epilepsie und Mischintoxikationen insbesondere auch mit trizyklischen Antdepressiva.